Überman
jetzt auch noch in einen Hauseingang. Soll ich ihm vielleicht noch Popcorn bringen? Liebe! Frieden! Und zehn Sachen, für die ich dankbar bin: Pommes, Kippen, Bier …
Die Drohne schwirrt inzwischen in gut fünf Metern Höhe, allerdings ist der Abstand zur Hauswand gerade mal ein, zwei Handbreit.
»Flieht gege Hauwand, de Drohe«, warnt Saigon.
» DROHNE !«, brüllt Köln, »und HAUSWAND !«
»Kann die au Trick?«, fragt Saigon.
»Nein!«, rufe ich genervt, aber Saigon beharrt auf seinem Standpunkt.
»Hahaha. Kann bestimm Trick!«
Einen Teufel werd ich tun, den Trick jetzt zu zeigen, denn dann fliegt der Korken runter und ich kann von vorne anfangen. Stabil steht die Drohne in der Luft. Noch einen Meter – und freie Sicht auf die Wohnküche. Reispapier-Long ist immer noch am Gaffen. Wink doch einfach auch noch, dann sehen alle, was ich hier mache. Konzentriert nehme ich den letzten Meter in Angriff. Mein Handy zeigt die grüne Wand, den weißen Fensterrahmen, Frühstücksflocken und tatsächlich … da ist meine Annabelle in einem ihrer bunten Pullis. Alleine. Gott sei Dank!
Gebannt schaue ich auf das von der Drohne zum Telefon übertragene Bild: Annabelle stellt eine Kaffeekanne auf den Tisch. Zwei Tassen und zwei Teller stehen schon drauf. Warum denn alles zweimal? Hat sie echt so lange nichts gegessen? Behutsam lenke ich die Drohne noch etwas näher ans Fenster. Ich könnte dagegenklopfen mit der Styroporspitze und dann zum Balkon fliegen und den Korken abwerfen, aber leider kommt da ein bärtiger Typ aus einem anderen Zimmer und kuckt direkt in die Kamera und damit übers iPhone auf mich. Der Kanuschnitzer! Innerhalb von Sekunden ist das Fenster offen, doch statt Annabelle ist ein Mann zu sehen. Ein Klotz von einem Mann mit brauner Nerd-Brille und verrückten schwarzen Haaren. Und entdeckt hat er mich auch noch.
»Bist du am Spannen, oder was?«, ruft er verächtlich nach unten und pflückt mein Fluggerät einfach aus der Luft.
»Hey!«, rufe ich nach oben, »nimm deine schmutzigen Kanuschnitzergriffel von meiner Hightech-Drohne!«
»Bist du Simon?«
»Ja, und du?«
»Otto!«
Das Fenster geht zu, meine schöne Drohne verschwindet in der Wohnung. Schockiert starre ich aufs Telefon, das weiterhin Bilder von der Drohne empfängt. ›Motoren blockiert‹ meldet das Display. Ich sehe den Holzfäller, wie er den Kopf schüttelt und den Vogel macht und ganz kurz Annabelle, die irgendwas in der Richtung »Gib sie ihm wenigstens zurück« sagt, dann geht das Fenster wieder auf, Otto erscheint und wirft die antriebslose Drohne auf die Straße. Sekunden darauf trifft mich der Korken am Kopf.
»Kann gar keine Trick, de Drohe!«, ruft Herr Long enttäuscht und greift nach seinen Plastiktüten.
» DROHNE ! VERDAMMT ! MIT »N«!, schreie ich ihn an. Dann klaube ich das Hightech-Insekt und den Korken vom Asphalt und wünsche mir, ich wäre ein breitärschiger Texaner in einem klimatisierten Büro.
Alles verlore
Noch 18 Wachblöcke
Wachblock minus achtzehn, erstes Drittel Überman-Zeit [2] .
Ziel: Dinge für den Weinkeller besorgen.
Location: kurz vor Holland.
Bin unzufrieden, weil das mit der Einladung an Annabelle in die Hose gegangen ist. Hab meinen siebzehn-Uhr-Nap schon wieder im Auto nehmen müssen, direkt vor Fliks Doppelhaushälfte in der Playmobil-Siedlung. Das Positive: Dieses Mal habe ich die zwanzig Minuten durchgeschlafen bis zu »Alles verlore« von den Höhnern. Sehr kölsches Lied, bei dem mir vor allem die Textstellen »Frau fottjelaufe«, »Nix mieh zo rette« und »Finanzamp am Hals« im Gedächtnis geblieben sind. So langsam bin ich mir nicht so sicher, ob nicht das FBI oder die CIA die Hände im Spiel hatte bei der Programmierung des Handy-Zufallsgenerators.
Umständlich stelle ich die Sitzlehne nach vorne und blicke nach draußen. Auch hier kurz vor der Nordsee müsste man sich Mühe geben, um nicht zu erkennen, dass die Anderen sich rüsten für den Tag der Tage. Hier schleppt eine junge Mutter einen 8 -Liter-Kanister Volvic ins Haus, dort werden die Rollläden nach unten gefahren, Fliks Bobbycar-Nachbarn machen es am geschicktesten: Sie lassen bringen, zumindest steht ein Bofrost-Lieferwagen vor der Tür. Wie gerne würde ich mit all diesen Infos meine Formel erweitern, aber sie auf jede Beobachtung hin zu ändern wäre ebenso müßig wie unwissenschaftlich, also bleibe ich bei meinen fünf Indikatoren. Und: Die Formel kommt später, denn was hab ich von einer bewiesenen
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