Überman
Angst, wenn ich keinen Schutz organisiert habe? Im Keller erst brauche ich den Beweis!
Ein letztes Mal blicke ich auf die Zu-Tun-Liste in meinem Wutbuch: »Dinge für den Weinkeller« steht dort. Wenn ich acht Freunde, einen Wurm, einen Beagle und eine nicht besonders kräftige, aber auch nicht schwächliche Sommeline bis ins neue Jahr hinein verpflegen will, dann brauche ich halt ein wenig mehr als neun Packungen CurryKing. Ich atme noch einmal tief durch, räuspere mich und wähle Fliks Nummer. Er geht sofort ran.
»Hi Simon, danke für die Einladung erst mal!«
»Und? Kommt ihr?«
»Daniela muss noch was abklären, aber ich glaub, wir sind dabei. Kann ich dich später zurückrufen, weil –«
»Dauert nicht lange«, unterbreche ich ihn, »ich bin nur gerade zufällig bei euch in der Nähe und da wollte ich euch ein neues Bobby-Car vorbeibringen für eure Nachbarn.«
»Im Ernst? Auch noch?«
»Ja. Mir … also mir lag das ein bisschen auf der Seele, und daneben benommen hab ich mich ja ohnehin an dem Abend, von daher …«
»Simon, sag mal, was ist denn los mit dir?«
»Kennst mich doch!«
»Eben. Deswegen überrascht es mich ja so! Eine Einladung zur Weinprobe, das Bobby-Car, aber … wir müssen trotzdem noch einkaufen in der Stadt, vielleicht stellst du’s in den Garten und wir reden später?«
»Das wäre mir nicht so recht, weil … es ist ja auch noch ein Geschenk für euch dabei, wegen des verhunzten Abends.«
»Ein Geschenk auch noch?«
»Ja. Komm ich denn vielleicht irgendwie in die Garage?«
»Klar. Also, normalerweise natürlich nicht, aber du schon. Einfach 2112 ins Codeschloss eintippen und dann wieder zumachen!«
»Alles klar. Grüße an Daniela!«
»Mach ich! Und danke!«
Fliks Code funktioniert. 2112 . Ein Schelm, wer Maya dabei denkt. Fast unhörbar rollt das weiße Tor der Doppelgarage nach oben, und ich kann hineinfahren. Eine Neonröhre geht an. Automatisch natürlich. Als sich das Tor wieder geschlossen hat, ziehe ich mir die Latexhandschuhe aus Phils Autoverbandskasten an und schaue mich um. Zwei Regale mit Kram stehen im Eck, ein Satz Sommerreifen und ein Weinkarton mit einem Aufkleber »Elektroschrott«. Unfassbar. Am meisten interessiert mich natürlich die Verbindungstür zur Wohnung, und als ich sie in Augenschein nehme, muss ich doch grinsen, denn da hat er gespart, der dicke Flik, die ist unterste Baumarktqualität. Sie aufzubrechen ist leichter, als ich dachte, denn dämlicherweise lagert Flik sein komplettes Werkzeug in einem Stahlregal daneben.
Nach nur zwei Minuten stehe ich in Fliks Flur und Sekunden danach in seinem heiligen Vorratslager. Klar, ist es erst mal ein Schock für die beiden, wenn sie nach Hause kommen, aber am Ende des Tages wird es ihr Schaden nicht sein, denn dann haben sie die lebenswichtigen Dinge dort, wo sie sie am 21 . 12 . brauchen.
Ich packe alles ins Auto, was mir für den Weinkeller sinnvoll erscheint: Gasheizer, Isomatten, Hygieneartikel und die Mikrowelle aus der Küche. Als ich mit dem Stromerzeuger aus der Gartenhütte komme, ist das Garagenlicht aus und ich muss winken, damit es wieder angeht. Damit sich Flik aber auch wirklich seine bunten H&M-Boxershorts vollscheißt, schmiere ich mit einem roten Wurm-Wachsmalstift noch drei Strichmännchen drunter. Eines dick, das andere mit Rock, das andere klein wie ein Wurm, darunter schmiere ich »Opfer!«. Es tut schon irgendwie weh, so was an die Wand meines Freundes zu schluren, aber je mehr Angst sie jetzt haben, desto geretteter fühlen sie sich nachher im Weinkeller.
Nach einer guten halben Stunde ist Phils Auto voll bis unters Dach. Nur der Karl-Heinz’ Kinderwagen passt noch rein, Gott sei Dank war er schon zusammengeklappt. Eigentlich bin ich fertig. Fast.
Es tutet am Ohr.
»Ja, Simon?«
»Flik, tut mir leid, wenn ich noch mal störe …«
»Geht der Code nicht?«
»Ich musste ihn nicht eingeben, weil das Garagentor offen stand. Und die Tür zur Wohnung sah auch komisch aus.«
»Ach du Scheiße!«
»Tut mir leid, aber … ich hab irgendwie Schiss gehabt und mich nicht reingetraut! Mann, ich konnte nicht mal das Bobby-Car dalassen und das Geschenk …«
»Um Himmels willen, ich ruf sofort die Polizei an, danke, Simon!«
Zufrieden rolle ich aus der Doppelgarage und knirsche über einen pinken Plastiktretroller. Selbst wenn wir kurz vor Holland sind – rechts vor links wird ja wohl auch hier gelten, oder?
Wohlgemut
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Fahl, beinahe lustlos
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