Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
Vorhang zur Seite. »Bitte einmal aufstehen, die Damen!«, rief sie und machte sich sogleich daran, unsere Betten aufzuschütteln. Ohne ein weiteres Wort verließ sie unser Zimmer, um kurze Zeit später mit einem Babybettchen wieder hereinzukommen. Sie schaute in meine Richtung. »Frau Klos? Ihre Leni.«
»Ja, hier«, antwortete ich freudig.
Dann stellte sie das Bettchen an mein Bett. Das Baby war wach und blickte mir direkt ins Gesicht. Ich erschrak so sehr, dass ich zusammenzuckte.
Nein, das kann nicht sein! , blitzte es durch meinen Kopf. Jetzt ist es wirklich passiert!
Erstarrt und stumm saß ich in meinem Bett und versuchte mich zu beruhigen. Das kann nur ein Irrtum sein. Die Schwester hat sich sicher in der Tür geirrt. Die sagt jetzt sicher, ach, tut mir leid, das ist ja gar nicht Ihre Leni.
Doch die blondgelockte Schwester war schon fast wieder draußen und schien sich überhaupt keiner Schuld bewusst.
»Hallo, stopp mal!«, rief ich aufgeregt. »Das hier ist nicht mein Kind!«
Sie drehte sich zu mir um, kam zurück und blickte auf das Namensschild, das unten am Rand des Kinderbettchens angebracht war. »Wie?«, fragte sie in leicht pikiertem Tonfall. »Ihr Kind heißt doch Leni Klos, das steht doch hier an dem Bettchen.« Dann blickte sie auf das dünne Handgelenk des Säuglings. » Und auf dem Bändchen hier.«
Sie hielt das Ärmchen des Babys hoch. Ich beugte mich vor, um den Namen lesen zu können, aber die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen, ich war in einem Schockzustand. Jetzt konzentrier dich , befahl ich mir. Ich schaute noch einmal, erst auf das Bändchen am Arm, dann auf das Schild am Bett, und ja, es stimmte – beide Male las ich den Namen meiner Tochter.
»Aber sie – sie sieht so anders aus«, stammelte ich.
»Das ist normal, Säuglinge verändern sich manchmal über Nacht«, entgegnete mir die Schwester resolut und rauschte auch schon davon.
Mir wurde fürchterlich übel, und ich spürte, wie mein Herz zu rasen anfing. Panik überfiel mich. Ich nahm das Baby, das offensichtlich gestillt werden wollte, aus seinem Bettchen und betrachtete es für ein paar Sekunden. Dann drehte ich mich zu Eva herum, die mich ganz ungläubig anschaute.
»Mir ist total schlecht. Das Kind sieht so anders aus. Was mache ich, wenn es verwechselt wurde?«
»Hä!? Das kann doch nicht sein. Lass mich mal schauen.« Eva stand auf, um zu mir herüberzukommen. Ihre Bemühungen in allen Ehren, aber sie war wirklich die Allerletzte, die hätte sagen können, ob das Baby nun anders aussah als am Tag zuvor oder nicht. Schließlich war man sehr mit seinem eigenen Baby beschäftigt, und gerade Romeo ließ ihr kaum eine ruhige Minute. Sie hatte Leni nicht mal bei der Begrüßung länger als ein paar Sekunden anschauen können.
»Das gibt es nicht. Sieh mal die Hände an. Die sind doch viel kleiner«, sagte ich in meiner ganzen Hilflosigkeit zu ihr. »Und diese weißen Pickel – was die für eine Neugeborenenakne hat«, stellte ich zudem fest. »Diese Pickel hatte sie doch gestern noch nicht. Keinen einzigen. Und jetzt sind ihre Wangen damit übersät. Das kann doch nicht alles über Nacht kommen!« Ich fühlte mich so elend wie noch nie in meinem Leben.
»Ich – ich weiß nicht«, stotterte Eva hilflos. »Ich kenne mich ja nicht aus. Aber das kann doch nicht sein, dass Babys verwechselt werden. Beruhig dich erst mal. Romeo hat sich in diesen zwei Tagen auch verändert.«
Das Argument eines ebenfalls mutierten Romeo überzeugte mich reichlich wenig in dieser Situation. Dieses Baby, das das Namensschildchen meiner Tochter trug, sah völlig anders aus als das Baby, das ich noch einige Stunden zuvor in meinen Armen gehalten und gestillt hatte.
»Aber die Kleine hier hat doch viel dunklere Haare, sie ist auch viel zierlicher, und ihre Finger sind kürzer«, insistierte ich. »Ein Säugling schrumpft doch nicht über Nacht.«
Ich hätte erbrechen und schreien können zugleich. Mit aller Macht versuchte ich, wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Das Baby half mir dabei. Es fing an zu quäken, sicher weil es von Sekunde zu Sekunde hungriger wurde und die ganze Aufregung spürte.
»Ich still sie jetzt erst mal. Wenn sie nicht trinkt, dann stimmt da wirklich was nicht«, verkündete ich meinen Plan, der vor allem dazu diente, mich selbst zu beruhigen.
Ich schob mein T-Shirt hoch und legte die Kleine an meine Brust. Sie suchte, indem sie ihren Kopf ein paar Mal hin und her drehte, dann dockte sie sich an und
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