Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
bohren sich in die Oberhaut und legen in den Kanälen ihren Kot und ihre Eier ab. Wenn dieser Kot sich abbaut, kommt es zu extrem allergischen Reaktionen – also zu Ekzemen. Das ist dann ein Zeichen, dass die Milben absterben.«
Ich sollte Lina nun so oft es ging mit einer einfachen Kinderlotion eincremen. Das tat ich zwar ganz gewissenhaft, aber nach ungefähr zwei Wochen hatte ich trotzdem noch ein ungutes Gefühl. Ich ging daher nochmals zu Dr. Bergmann, und er versicherte mir, dass die Krätze weg sei.
Drei Tage später entdeckte ich auf Linas Rücken eine dicke, eitrige Pustel. Außerdem kratzte sie sich wieder mehr. Dr. Bergmann zuckte zusammen, als er mich und Lina sah. Für ihn war es schon schlimm genug, dass mein Kind vertauscht worden war. Dass wir auch noch die Krätze hatten, nahm ihn sichtlich mit. Kaum hatte ich mich hingesetzt, fing ich an zu heulen. »Ich hab das Gefühl, sie hat neue Pusteln bekommen und es ist nicht weg.«
Er versuchte mich zu trösten. »Wir kriegen das in den Griff. Das ist alles nicht so schlimm.«
Dann schaute er sich Linas Rücken an und sagte schließlich: »Sie haben leider recht. Es ist wirklich wieder da. Irgendwo müssen Milben überlebt haben.«
»Ich kann nicht mehr! Und jetzt muss ich auch noch diesen Mist da wegbekommen«, jammerte ich.
Dr. Bergmann sagte, er müsse nun überlegen, was zu tun sei. Dafür ging er für einen Moment hinaus. Als er zurückkam, verkündete er, dass er mit Prof. Holtz von der Uniklinik Homburg gesprochen habe und dass dieser meinte, Lina müsse ab morgen stationär behandelt werden, mit einem ganz speziellen Mittel. Auch Yara müsse ins Krankenhaus und prophylaktisch mitbehandelt werden. »Die Behandlung durchzuführen, ist gefährlich, da dieses Mittel starke Nebenwirkungen hat und es unter anderem zu neurologischen Schäden kommen kann.«
Ich war fix und fertig. Starke Nebenwirkungen, Schäden? Und schon wieder ins Krankenhaus! Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Nun ging die ganze Wascherei von allen Bettdecken, Kleidern und Kuscheltieren wieder von vorne los. Hemmungslos griff ich zum Telefon. Ich rief meine Mutter, Theodora, Ricarda, Nora, Paula, meine Nachbarin und die Haushaltshilfe an. Alle erklärten sich bereit, mir beim Waschen zu helfen – bis auf Ricarda. Ihre Tochter Janne hatte sich bei Lina angesteckt. Sie musste nun selbst diese eklige Krätze irgendwie ausgerottet bekommen. Normalerweise hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt, aber noch nicht einmal dafür hatte ich gerade Kapazitäten.
Mir war klar, dass wir in der kommenden Zeit ziemlich isoliert leben müssten, da sich keiner trauen würde, uns zu besuchen. Wer will schon freiwillig die Krätze bekommen? Auch Yara musste unter Quarantäne und durfte nicht mehr in den Kindergarten. Zu Vanessa sagte ich, dass wir uns nicht sehen könnten, da ich auf keinen Fall wollte, dass wir uns gegenseitig erneut ansteckten. Ich gab ihr sicherheitshalber noch den Namen des Medikamentes durch, das sie und Leni nehmen sollten, um auch ihrer Krätze gänzlich den Garaus zu machen.
Unsere soziale Isolation war eigentlich nicht schlimm, aber für mich war sie die Spitze des Eisberges. Das hatte auch damit etwas zu tun, dass Ralf und ich in der Zeit eine schwierige Phase miteinander durchmachten. Ich hatte das Gefühl, dass unsere Welten immer mehr auseinanderdrifteten. Wir lebten nur noch nebeneinander her. Ich konnte mit ihm nicht richtig über meine Gefühle reden, und er machte wie immer alles mit sich selbst aus. Er lebte so weiter, als sei nichts gewesen. Ich fühlte mich einfach nur unverstanden. Ich hätte mir gewünscht, dass er mal vorschlägt, zusammen ins Kino oder essen zu gehen. Nur wir zwei. Obwohl er oft für uns kochte und mir abnahm, was er mir abnehmen konnte, fühlte ich mich überfordert und hätte mir daher von ihm noch mehr Unterstützung im Haushalt und mit den Kindern gewünscht. Natürlich ging das nicht, er musste ja arbeiten. In der wenigen Zeit, in der wir uns sahen, stritten wir uns meistens. Ich nörgelte ständig an ihm herum, nichts konnte er mir recht machen, egal, was es war – bis hin zu seiner Karottensuppe, die ich nicht mochte. Meine Dauernörgelei verletzte ihn und machte ihn wütend.
Ich rief meine Mutter an, um mich bei ihr auszuheulen. Seit Wochen war sie für ihre beiden Töchter der Fels in der Brandung. »Das ist alles zu viel für mich! Ich kann nicht mehr«, klagte ich.
Doch meine Mutter reagierte anders, als ich es
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