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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Klos
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erwartet hatte. »Denk nur mal an deine Schwester und an Ann-Kathrin – die sind viel schlimmer dran als ihr.«
    Sie hatte ja völlig recht damit. Trotzdem – es ging auch mir schlecht! Und ich fand, dass es mir durchaus mal zustand, mich ganz unten zu fühlen, ganz egal, wer was im Vergleich zu mir durchmachen musste.
    »Das ist mir schon klar«, antwortete ich trotzig.
    »Das mit der Krätze geht vorbei. Das ist nicht so schlimm«, meinte sie dann noch.
    Ich hatte es so satt, dass unsere Familie immer stark sein musste. Ich fragte mich, wozu und für wen? Und warum sollte ich mir selbst und den anderen etwas vormachen? Ich fühlte mich einfach schwach und wollte das nicht länger unterdrücken müssen. Ich wusste aber auch, dass es nichts bringen würde, mich auf ein Streitgespräch mit meiner Mutter einzulassen. Also beendete ich das Telefonat lieber und weinte noch eine Zeit lang wütend vor mich hin.
    Ich vereinbarte mit Ralf, dass er die Nächte im Krankenhaus verbringen sollte, weil ich zu Hause alles waschen musste. Vom Waschen hatte er nämlich keine Ahnung. Am Ende würden noch ein paar Milben überleben, nur, weil er falsch wusch. Das Risiko war mir zu groß.
    Die Schwestern und Pfleger der Uniklinik Homburg waren sehr freundlich zu uns. Aber im Vergleich zur Klinik machte hier keiner Kratzfüßchen. Es hatte eben niemand ein schlechtes Gewissen uns gegenüber. Beim Eincremen half uns immer ein junger Pfleger. Wir mussten Lina festhalten, damit sie die Salbe nicht an ihre Finger bekam und ableckte. Auf keinen Fall durfte das Mittel an ihre Schleimhäute gelangen. Das war das Allerwichtigste. Deswegen wurde sie am ganzen Körper mit Verbänden und Kleidern bedeckt. Glücklicherweise schlug die Therapie schnell an, und ihr Juckreiz ließ nach.
    Irgendwann fiel mir allerdings auf, was wir bislang vergessen hatten. »Was ist denn eigentlich mit ihrem Kopf? Da hat sie doch auch Milben«, fragte ich den Pfleger.
    Er blickte mich mit großen Augen an. »Das geht nicht. Wir können doch nicht den Kopf mit diesem Mittel einreiben. Das ist viel zu gefährlich!«
    »Aber die Milben müssen doch ganz weg! Sonst steigen sie vom Kopf abwärts, und dann geht das Ganze wieder von vorne los.«
    Der Pfleger ging nachfragen. Als er zurückkam, meinte er: »Aber nur ganz, ganz dünn!«
    Vorsichtig rieben wir Lina mit diesem Teufelszeug ein und legten ihr anschließend einen Kopfverband an. Wie eine kleine Mumie sah sie aus. Damit sie besser einschlafen konnte, hingen wir dunkle Vorhänge an die Fenster und bauten ein Zelt aus Bettlaken über ihr Gitterbettchen. Dennoch weigerte sie sich, einen Mittagsschlaf zu halten, obwohl sie ihn bitter nötig gehabt hätte. Sie war so vorwitzig, wollte auf keinen Fall etwas verpassen. Daher lugte sie immer wieder aus ihrem Zelt hervor. Erst kamen ein paar Fingerchen zum Vorschein, dann stieß der Kopf hervor. »Lina, nun leg dich hin«, versuchten wir sie vergeblich zu überzeugen.
    Vier Tage lang mussten Lina und Yara in Quarantäne bleiben. Auch für Ralf war es eine extrem anstrengende Zeit. Er konnte nachts kaum schlafen und musste den ganzen Tag arbeiten. Am letzten Tag bat er mich, die Nacht im Krankenhaus zu übernehmen. Er war am Ende seiner Kräfte.
    »Hoffentlich müssen wir uns nicht wieder sehen«, sagte ich bei der Entlassung zu dem zuständigen Arzt. »Nein, das ist jetzt durch. Bei diesem Mittel können Sie davon ausgehen, dass alles abgetötet ist.«
    Er meinte, dass die Ekzeme nun richtig aufblühen würden und gab mir eine Lotion mit. Tatsächlich wurden die Ekzeme so heftig, dass ich mir einbildete, die Milben seien noch nicht ganz weg. Ich merkte, wie ich mich schon wieder in eine Panik hineinsteigerte – wollte das denn niemals aufhören?
    Bei der Nachkontrolle versicherte Dr. Bergmann, dass ich mir keine Gedanken mehr machen müsse.
    »Und was ist, wenn es wiederkommt?«, fragte ich ihn.
    »Da brauchen Sie jetzt gar nicht drüber nachzudenken. Ein zweites Mal macht man diese Behandlung nicht!«

KAPITEL 37
    E igentlich hatte ich nicht das Gefühl, dass ich eine Therapie bräuchte, um das Erlebte zu verarbeiten. Ich befürchtete jedoch, dass vielleicht Spuren zurückbleiben könnten, wenn ich alles nur mit mir selbst ausmachen würde. Ich wusste ja nicht, welche meiner Reaktionen normal sein würden und welche nicht, und ob ich vielleicht unbewusst etwas auf meine Kinder übertragen würde. Wieder einmal flackerte eine Horrorvorstellung in mir auf: Die ganze Zeit

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