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Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Klos
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oder hergeben. Niemals. Das könnte ich gar nicht überleben.«

    »Es gibt in so einer Situation nur Verlierer. Das Einzige, was man machen kann, ist die Kinder in den falschen Familien belassen und den Kontakt zu den richtigen Eltern pflegen.«

    Mir wurde wie noch nie zuvor bewusst, wie einfach es doch ist, ein schnelles und gnadenloses Urteil zu fällen. Ich nahm mir vor, fortan mehr darauf zu achten und vorsichtiger in meinen eigenen Bewertungen zu sein. Immerhin hatte ich auch die Tendenz, nicht wertfrei zu sein. Für irgendetwas ist es immer gut, wenn man einmal durch die Hölle gegangen ist.

KAPITEL 35
    W enige Wochen nach dem Tausch trafen wir uns alle wieder in Homburg. Ich erzählte Prof. von Rhein, dass wir vier uns gut aneinander gewöhnt und schon einen richtigen Alltag hätten. »Ich bin begeistert und schockiert zugleich, wie wahnsinnig schnell die Umstellung ging. Lina ist das Pendant zu unserer Großen. Beide essen viel und sind ständig aktiv. Die Ähnlichkeit ist extrem. Jetzt passt es wirklich – zu allem. Auch dazu, wie sie in meinem Bauch war.«
    Ich schaute Leni an, die vor mir auf dem Boden lag. Es war das erste Mal, dass ich sie seit dem Tausch wiedersah. Ich fand sie immer noch sehr niedlich, aber ich verspürte keine Trauer oder Sehnsucht mehr. Ich hatte sie losgelassen, zumindest fühlte es sich so an.
    Prof. von Rhein fragte Vanessa, wie die Umstellung für sie war. Da fing sie sofort an zu weinen.
    »Schlimm. Die ersten Tage nach dem Tausch gingen zwar noch – auch Lilli hat die Umstellung einfach so akzeptiert, sie war eigentlich wie immer. Aber sie ist generell viel ruhiger als Angelina. Sie schläft viel. Daher hab ich mehr Zeit, mir Gedanken zu machen. In der Schule kann ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren. An dem Montag nach dem Tausch habe ich gefragt, ob sie mich nach Hause lassen können. Ich bin dann die ganze Woche nicht mehr hingegangen.«
    »Vielleicht ist das ja das Problem«, warf Ralf ein. »Sie hat ein Baby bekommen, das noch nicht so weit ist wie Lina.«
    »Wie ist es denn jetzt für dich, wenn du Lina siehst?«, fragte Prof. von Rhein.
    Vanessa weinte immer mehr. Ich gab ihr Lina auf den Arm, weil ich dachte, die Nähe zu ihr könnte ihr nun gut tun. Vanessa streichelte und küsste sie.
    »Ich habe ein Bild von ihr auf dem Fernseher stehen. Wenn ich das anschaue, kann ich nicht mehr …«
    Prof. von Rhein schlug vor, das Bild umzudrehen. Vanessa schüttelte den Kopf. »Das Bild muss da stehen. Ich will mich an sie erinnern.«
    »Was kriegst du denn im Alltag von Lilli so mit?«, fragte Prof. von Rhein weiter.
    »Wenn ich von der Schule kam, hatte Lina mich immer angelacht. Lilli guckt gar nicht, wenn ich komme.«
    »Das ist aber nichts Ungewöhnliches«, versuchte ich Vanessa zu beruhigen. »Sie nimmt kaum Notiz und ist überall froh.«
    Meine Worte halfen natürlich nichts. Sie entsprangen ja auch nur meiner puren Hilflosigkeit. Vanessa schluchzte. »Ich kann mich nicht an Lilli gewöhnen, ich krieg das nicht hin. Sie ist ein ganz anderes Kind. Das tut so schrecklich weh.«
    Prof. von Rhein überlegte. »Siehst du denn eine Ähnlichkeit zwischen ihr und dir?«
    »Das Aussehen ist egal. Ich erkenne meine Augenform in ihr. Und diese Nase hatte ich auch als Baby.«
    »Sieht sie denn so aus wie ihr Vater?«, hakte Prof. von Rhein nach.
    »Nein, von ihm hat sie gar nichts. Er ist blond und hat grüne Augen.«
    »Kannst du denn mit jemandem darüber reden?«
    »Mit meiner Mama. Aber die hängt auch noch sehr an Lina.«
    Vanessa tat mir wirklich leid. Zwischen unseren Empfindungen lagen Welten. Und niemand konnte ihr so wirklich helfen, sie musste allein durch ihre Trauer.
    Am Ende der Sitzung vereinbarten wir, uns bald bei mir zu Hause zu treffen. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob Vanessa das helfen würde. Ich hatte das Gefühl, dass sie das noch mehr zurückwerfen würde und dass mehr Abstand eigentlich das Richtige gewesen wäre.

    Ann-Kathrin gingen wir dieses Mal nicht auf der Onkologie besuchen. Dafür wollte ich mir an einem anderen Tag mehr Zeit nehmen. Ann-Kathrin hatte nämlich nur wenige Tage, nachdem sie entlassen wurde, eine Sinusvenenthrombose, das heißt einen Schlaganfall, bekommen. Sie wachte morgens mit schrecklichen Kopfschmerzen auf und konnte ihren Arm nicht mehr bewegen. Ein Blutgerinnsel hatte sich im Gehirn festgesetzt – eine Nebenwirkung von dem hochdosierten Kortison, mit dem sie behandelt worden war.
    Sie hatte für einige Zeit

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