Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
glaube ich, alles sei bestens. Doch nach einigen Jahren bin ich dann ein Wrack und meine Kinder hochgradig gestört.
Diesem Horrorszenario wollte ich ganz pragmatisch vorbauen. Ich rief Michael an und erzählte ihm von meinem Vorhaben, eine Therapie anzufangen.
»Es gibt einige Therapeuten, die dir bestimmt gut helfen können. Ich kann mir vorstellen, dass du mit Dr. Maria Leifert gut klarkommen würdest. Sie arbeitet in einem Zentrum für Psychosomatik.«
Schon nach wenigen Tagen bekam ich einen Termin für eine sogenannte probatorische Sitzung. Als ich die Psychosomatische Klinik betrat, war mein erster Gedanke: »Warum muss ich hier hin?« Ich bildete mir ein, überall Psychopathen zu sehen – Leute mit irren Blicken, und es hätte mich nicht gewundert, wenn mich jemand von hinten angefallen hätte. Ich fühlte mich sehr unwohl und fehl am Platz. Aber natürlich waren es so Leute wie du und ich. Sicherlich hatte niemand das erlebt, was ich erlebt hatte. Aber keiner war mehr oder weniger verrückt als ich. Es waren – wie so oft – nur meine Angstfantasien, die mit mir durchgingen. Doch genau aus diesem Grund war ich ja hier.
Endlich wurde ich aufgerufen. Ich sah Frau Leifert und mochte sie sofort. Ich schätzte sie auf Anfang bis Mitte vierzig, eine hübsche Frau. Kaum saß ich, liefen mir auch schon die Tränen.
Sie ist eine, die mich verstehen wird. Sie ist mein Anker , dachte ich. Und hier geht es endlich mal nur um mich.
Jetzt, wo ich bereit war, alles, was in mir hochkam, auch anzuschauen, spürte ich, wie ausgebrannt ich war – auch psychisch, nicht nur physisch.
»Erzählen Sie mal«, sagte Frau Leifert mit einem sanften Lächeln.
Ich hatte überhaupt keine Hemmungen, ihr von meinen Gefühlen zu erzählen. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte ich unter Schluchzen.
Schließlich erzählte ich meine ganze Geschichte in Kurzfassung. Außerdem versuchte ich ihr zu erklären, dass ich von einem auf den anderen Tag ein völlig anderer Mensch geworden war – überängstlich und verwundbar – und dass ich mir meine alte Unerschrockenheit zurückwünschen würde.
»Da haben wir ja viel Stoff zum Arbeiten«, sagte sie am Ende der Zeit. Ich war sicherlich die Erste und höchstwahrscheinlich auch die Einzige, die sie therapieren würde, der so etwas passiert war. Ich bin bestimmt ein spannender Fall, dachte ich insgeheim.
Die Bestätigung bekam ich prompt. »Wenn Sie wollen, dass wir zusammenarbeiten, kann ich Ihnen anbieten, dass wir nach Ihrer Kur direkt starten.«
Ohne noch einmal darüber nachzudenken, sagte ich ihr sofort zu. Allein schon diese Sitzung hatte mir sehr gutgetan.
Als ich auf die Straße hinaustrat, war ich in bester Laune und so froh, dass ich diesen Schritt gewagt hatte.
Jetzt wird alles gut – auch meine Ängste , sagte mir meine innere Stimme.
KAPITEL 38
E s war die letzte Sitzung in Homburg, zu der wir alle erschienen.
»Vanessa, wie sind mittlerweile deine Gefühle zu Lilli und Lina verteilt?«, fragte Prof. von Rhein.
»Neunzig zu zehn. Genau umgekehrt zu den letzten Wochen«, antwortete Vanessa, und ein kleines bisschen Stolz klang mit.
Sie sagte, dass sie nun einen ganz normalen Alltag mit Lilli hätte, fast so wie mit Angelina früher, und dass sie nicht mehr so oft an sie denken müsse. Sie erzählte auch, dass sie sich auch wieder mit ihren Freunden treffe und freitagabends immer ausgehen dürfe. Prof. von Rhein bestärkte Vanessa, indem er sagte, dass es auch wichtig sei, dass sie nicht nur Mutter ist, sondern, wie alle anderen Jugendlichen auch, etwas erleben müsse. Auch ich war erleichtert, dass es Vanessa nun viel besser ging mit der ganzen Situation. Sie wirkte stabil und lebensfroh.
Prof. von Rhein erkundigte sich auch nach unseren Kindern. Ich erzählte, dass Lina gerade fremdelte und auch oft quengelte. Und dass sie viel mehr fordere als Leni und genau wisse, was sie wolle.
»Lilli ist jetzt lebhafter und manchmal auch kratzbürstig«, gab Vanessa zur Antwort.
Während wir uns unterhielten, küsste und umarmte Yara Lilli pausenlos. Diese schaute ihre »Exschwester« nur mit großen Augen an, nach manchen Küsschen lächelte sie auch. Yara sagte immer noch »Leni« zu ihr. Einmal nannte sie sie sogar »Lini«, so verwirrt war sie. Wir verbesserten sie, dass die Kleine doch nun »Lilli« heiße. So ging das einige Male, bis Yara schließlich verkündete, sie würde Lilli ab jetzt nur noch »Marie« nennen. Wir mussten alle lachen. Lina
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