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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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Belustigung unter den Kollegen sorgte. Sie meinten, es sei ein richtiges Oma-Rad. Alberta fühlte sich in der Tat wie eine Oma, wenn sie unsicher durch die Great Elm Street schlingerte. Oft hatte sie das Gefühl, sie hätte ein oder zwei Jahrzehnte übersprungen. Die Mädchen auf der Arbeit – und für Alberta waren sie alle Mädchen, sogar Francesca – erzählten Alberta von ihren Freunden und ihrem Sexleben. (Sie hatten entweder zu viel oder zu wenig Sex. Keine schien mit dem zufrieden zu sein, was sie hatte.) Alberta fragten sie nie nach ihrem Sexleben aus. Sie nahmen alle ganz richtig an, dass sie keins hatte.
    In Bath hatte Diana sie behandelt wie eine jüngere und ziemlich unberechenbare kleine Schwester, der man sagen musste, was sie zu tun hatte. Jetzt war Alberta zum ersten Mal in ihrem Leben von lauter jüngeren Kollegen umringt, die sie um Rat fragten und sie wie die reife Frau behandelten, die sie war, und Alberta genoss es.
    Wenn sie es recht bedachte, konnte sie Diana die bevormundende Art nicht übelnehmen. Alberta erkannte, dass sie Dianas Bestimmtheit durch ihre eigene Unentschlossenheit und Willenlosigkeit fast herausgefordert hatte.
    Vielleicht war sie auch selbst daran schuld, dass Ed ihr nichts über das turbulente Privatleben ihrer Eltern erzählt hatte. Sie war immer gern das kleine Mädchen ihres Vaters gewesen, und es war ihr nur natürlich erschienen, ihrem Mann die Führungsrolle zu überlassen. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, ihn nicht alle wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben treffen zu lassen. Er war älter als sie, er war, in ihren Augen, viel weiser und klüger als sie, und es war so einfach gewesen, sich darauf zu verlassen, dass er immer alles am besten wusste. Eigentlich war es erbärmlich, aber jetzt endlich – lieber spät als nie – hatte sie das Gefühl, erwachsen zu werden.
    Diese vorsichtig optimistische Haltung wurde gestärkt, als sie Mitte Oktober in ihre eigene Wohnung umzog. Es war ein Apartment im zweiten Stock eines großen, alten Hauses in der Effra Road, nur eine halbe Meile von Christopher und Helens Haus entfernt. Sie war heilfroh, endlich bei ihrem Bruders ausziehen zu können. Es war schon schwer genug, einem Fulltime-Job nachzugehen; um abends für ihn und Helen zu kochen, fehlte ihr schlicht die Zeit. Zu alldem hatten die Party sowie zwei Dinnereinladungen, die sie in den letzten beiden Septemberwochen für sie organisiert hatte, Alberta geschlaucht. Außerdem würde sie sich immer als Gast in ihrem Haus fühlen, so nett die beiden auch waren. Die neue Wohnung war vielleicht nicht nach ihrem Geschmack, aber es war – jedenfalls für die nächsten sechs Monate – ihre Wohnung.
    Ihr neues Wohnzimmer wurde von zwei riesigen schwarzen Ledersofas dominiert und hatte ein großes Erkerfenster mit Blick auf die Straße, das viel Sonne hereinließ. Zu beiden Seiten des Fensters erstreckten sich von Regalen gesäumte Wände, die super aussehen würden, hätte Alberta irgendetwas, das sie hineinstellen könnte. Das Bad war klein, mit zwei runden Waschbecken, schokoladenbraun gestrichenen Wänden und bernsteinfarbenen Fliesen. Das Schlafzimmer wurde von einem Riesenbett beherrscht und wirkte, zusammen mit den schwarzen Wänden, den roten Vorhängen und dem flauschigen Teppich, wie ein französischer Puff, jedenfalls stellte Alberta sich so einen französischen Puff vor. Die Einbauküche war mit einem sehr guten Backofen, einem Kochfeld und einer Edelstahlspüle auf der einen und einem gewaltigen Spiegel in einem vergoldeten Rahmen auf der anderen Seite ausgestattet. Alberta folgerte daraus, dass der Vermieter ein sexbesessener Junggeselle sein musste, der sich beim Kochen gern selber zusah. Sie hatte sich nie nach einem schwarzen Ledersofa gesehnt oder gewünscht, in einem französischen Puff zu schlafen, aber sie hatte bei der Besichtigung sofort gewusst, dass es die richtige Wohnung für sie war.
    Alberta hatte mehr und mehr das Gefühl, dass sie ihr Leben in den Griff bekam. Sie sah ihre Tochter öfter und machte sich weniger Sorgen um ihre Mutter. Marma redete nicht mehr vom Umziehen und hatte sich einem Literaturzirkel in Little Crackton, einem Nachbardorf, angeschlossen. Sie hatte schon Chronicles von Bob Dylan gelesen und ihm sogar einen Brief geschrieben, den er bislang allerdings nicht beantwortet hatte.
    Alberta wusste, dass sie sich glücklich schätzen konnte. Francesca war eine gute Chefin und der Job interessant. Mochte sie auch sehr oft

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