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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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und er hat zu mir heruntergeschaut, und dann ist er aufgestanden und hat gesagt, da gäbe es etwas, das er dir nie erzählt hätte. Und auf einmal meinte er, es täte ihm wirklich leid, aber er müsse gehen. Und dann war er weg.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Hannah. »Was hat er mir nie erzählt?«
    »Das hat er nicht gesagt«, antwortete Kitty. »Er sah aus, als könne er es nicht erwarten, hier rauszukommen. Vielleicht habe ich ihn nervös gemacht. Ich glaube nicht …« Kitty stellte ihr Glas ab und zog die Knie unters Kinn. »Meinst du, er ist vielleicht schwul?«
    »Was?« Hannah lachte. »So ein Quatsch! Harrison hatte jede Menge Freundinnen! Es hat zwar nie lange gehalten, aber das lag wohl eher daran, dass sie sich ihn ausgesucht haben und nicht andersherum. Ich kenne Harrison. Und selbst wenn er schwul wäre, was er nicht ist, warum sollte er mir das nicht erzählt haben?«
    Kitty zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Aber er trägt ziemlich seltsame Kleider für einen waschechten Hetero. Ich bin ziemlich sicher, dass dieser pinkfarbene Pulli, den er heute Abend anhatte, ein Frauentop ist.«
    »Das kann gut sein«, sagte Hannah. »Er kauft seine Klamotten nur in Wohltätigkeitsläden. Deswegen ist er noch lange kein Transvestit. Vielleicht ist er plötzlich krank geworden.«
    »In dem Fall«, sagte Kitty, »ist es seltsam, dass er erst gehen wollte, nachdem ich ihm die Hand auf den Oberschenkel gelegt habe.«
    »Du hast ihm die Hand auf den Oberschenkel gelegt?«
    »Ich habe ihm die Hand auf den Oberschenkel gelegt! Auf die Innenseite ! Und sieh mich nicht so an, Hannah Granger. Kannst du mir in die Augen sehen und sagen, dass du nicht versucht hast, uns zu verkuppeln?«
    Hannah seufzte. »Es tut mir leid, ich dachte …«
    »Es war eine hübsche Idee«, sagte Kitty, »und ich danke dir für deine Mühe, selbst wenn es in einem Desaster geendet hat.« Sie erhob sich schwankend vom Sofa. »Es zeigt nur, dass wir die Menschen nie so gut kennen, wie wir glauben.«
    Und genau diese halbernst gemeinte Bemerkung ging Hannah lange nicht mehr aus dem Kopf, nachdem Kitty ins Bett gegangen war. Das Problem war, dass Harrison einer der wenigen Menschen war, die Hannah glaubte, richtig zu kennen. Bei dem Gedanken, dass Harrison genauso undurchsichtig war wie jeder andere, fühlte sie sich überraschend verletzlich. Wenn Harrisons nicht ihr Freund war, wer dann ?
    Als sie ins Bett ging, wusste sie, dass sie nicht einschlafen könnte. Stattdessen saß sie im Schneidersitz auf ihrer Bettdecke und versuchte, sich mit gerunzelter Stirn daran zu erinnern, ob es bei ihrem letzten Treffen mit Harrison irgendwelche Hinweise auf sein seltsames Benehmen gegeben hatte. Immer wieder warf sie einen Blick auf ihr Handy, als wolle sie es zwingen zu läuten. Sie hatte ihm eine SMS geschickt, mit der einfachen Frage, was ist passiert? , aber entweder war sein Handy aus, oder er wollte nicht mit ihr reden.
    Bis zum heutigen Abend hätte sie diese Möglichkeit nicht mal in Erwägung gezogen, und sie seufzte erleichtert, als ihr Handy schließlich klingelte. Doch es war nicht Harrison, es war Tony. »Hallo, Weg da«, sagte er.
    Hannah lächelte. So nannte Tony sie seit ihrem sechsten Geburtstag, als sie Twister gespielt hatten und sie völlig überdreht die ganze Zeit »Weg da« geschrien hatte. »Hallo, Tony, was gibt’s?«
    »Entschuldige, dass ich dich so spät noch anrufe. Du hast doch noch nicht geschlafen, oder?«
    »Nein. Ich hatte Harrison zum Abendessen eingeladen. Er und Kitty sind beide Single, und da dachte ich …«
    »Du bist genauso schlimm wie deine Mutter. Diese Geschichten klappen nie.«
    »Ich versuche es nie wieder, das kann ich dir sagen. Was hast du heute Abend gemacht?«
    »Ich habe gerade deine Mutter ins Bett gebracht. Ich musste ihr versprechen, dich anzurufen. Sie wollte nicht, dass du es beim Aufwachen im Radio hörst oder in der Zeitung liest.«
    » Was soll ich nicht in der Zeitung lesen?«
    »Es geht um deinen Großvater«, sagte Tony. »Ich hasse es, dir das am Telefon zu sagen, Weg da. Er ist tot.«
    Einen Augenblick lang starrte Hannah dümmlich auf das Telefon in ihrer Hand, dann rief sie: »Großvater ist tot ? Aber er war immer so gesund! Niemand würde glauben, dass er über achtzig ist! Warum ist er tot ? Wann ist er gestorben?«
    »Ich glaube, gegen vier oder fünf Uhr heute früh. Er hatte einen Herzinfarkt.«
    »Das tut mir so leid!« Hannah spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten,

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