Überraschung kommt selten allein
mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Meine Freundin – meine Exfreundin – ist jetzt mit dem Mann aus der Wohnung unter meiner zusammen. Deswegen stoße ich regelmäßig mit ihr zusammen. Ich habe schon die richtig kühle Begrüßung perfektioniert. Ich sage: ›Hallo, Grace!‹ und lächle ungefähr so …« – Rando zeigte die Zähne –, »… um ihr zu zeigen, dass es mir total egal ist. Wie findest du das?«
»Na ja«, sagte Hannah, »ich glaube, ich würde das Lächeln und das ›Hallo‹ weglassen. Sonst ist es gut.«
»Verstehe. Das baut mich echt auf.«
Hannah lächelte. »Du könntest immer noch umziehen. Warum heißt du Rando? Ist es ein ausländischer Name?«
»Meine Eltern haben mich Randolph getauft. Ich glaube, sie dachten, das gibt mir von Anfang an Würde. Stattdessen hat mich in der Schule natürlich jeder Randy Randolph gerufen. Auf der Uni habe ich beschlossen, mich Rando zu nennen, was besser ist, allerdings sagen manche tatsächlich Rambo zu mir. Du hast wirklich Glück, dass du einen netten, normalen Namen hast. Hast du auch einen netten, normalen Job?«
»Ich bin nicht sicher. Ich arbeite für Associated Metals.«
»Das kling sehr ernsthaft und erwachsen. Wie ist es, ein vollbezahltes Mitglied der Unternehmerwelt zu sein?«
»Ich weiß nicht. Die meiste Zeit fühle ich mich nicht wie ein Mitglied. Eher wie die Neue.«
»Ich wette, du bist brillant.« Rando hielt sein leeres Glas hoch. »Ich brauche noch etwas zu trinken. Soll ich dir was mitbringen?«
»Danke, nein, aber geh nur. Wir sehen uns.«
»In Ordnung. Ich verspreche, dass ich meine Volksreden zu Hause lasse.«
»Sie gefallen mir aber«, antwortete Hannah.
Die Unterhaltung mit Rando hatte ihr gutgetan. Indem er über seinen eigenen Herzschmerz lachte, hatte er ihr das Gefühl gegeben, dass ihr eigener Kummer halb so schlimm war. Sie war ihm offensichtlich genauso sympathisch wie er ihr, und es war gut möglich, dass sie einen neuen Freund gefunden hatte. Alles in allem fühlte sie sich jetzt viel besser für die Begegnung mit Harrison gewappnet.
Sie kämpfte sich durch das Wohnzimmer in die Küche und von dort in die Diele, wo sie Emily fand, die ein klein wenig wacklig neben einem sehr großen Mann mit Brille stand.
»Hannah«, rief sie aus. »Weißt du, was Ralph mir gerade erzählt hat? Kennst du den Ausdruck, ein weißer Elefant? Anscheinend geht das auf einen besonders schlauen König von Siam zurück. Er schenkte seinen Feinden weiße Elefanten, weil er wusste, dass ihr Futter sehr teuer ist, die Elefanten aber so selten sind, dass man sie nicht töten darf, und deswegen gingen seine Feinde bankrott, weil sie sie füttern mussten! Ist das nicht eine super Geschichte? Ralph, ich muss kurz mit Hannah reden, bis später …« Während sie ein Stück weiter weg gingen, senkte Emily die Stimme. »Der Typ ist so langweilig, keine Ahnung, warum er hier ist, ich habe ihn nicht eingeladen.«
»Emily«, sagte Hannah, »ich bin auf der Suche nach Harrison. Wo ist er?«
»Er ist vor ein paar Minuten gegangen«, sagte Emily. »Ich glaube, er hat gesagt, er muss sich mit jemandem treffen. Oh, guck mal, da kommt Rando. Schnell, erzähl. Wie findest du ihn?«
Ein paar Tage später bekam sie eine SMS von Rando. Sie lächelte immer noch darüber, als sie am Sonntag joggen ging. »Hab Exfreundin auf der Treppe getroffen und wortlos genickt. Sehr erfolgreich. Bin sicher, sie findet mich jetzt cool.«
Sie war froh, dass sie ihre Handynummern ausgetauscht hatten. Sie war froh, dass sie zu der Party gegangen war. Sie hatte die letzte Stunde dort mit ihm eine komplizierte Diskussion über die Bedeutung der Liebe geführt, doch es hatte sie zum Lachen gebracht und die Enttäuschung über Harrisons abrupten Abgang vergessen lassen.
Das Joggen gehörte zu Hannahs neuer Kampagne, über Alfie hinwegzukommen. Es war mit Sicherheit besser als Facebook. An einem sonnigen Tag wie heute war es sogar ganz schön, und ihre wirren Gedanken rückten ein wenig in den Hintergrund. Heute, zum Beispiel, konnte sie die Schönheit der beiden schwarzen jungen Männer sehen, die ihr entgegenkamen, während sie versuchte, die traurige Wahrheit zu akzeptieren, dass Harrison nicht mehr ihr Freund sein wollte. Heute konnte sie die weitläufigen Grünflächen des Clissold Park sehen, während sie endlich begriff, was an den Telefonaten mit ihrer Mutter anders war. Für gewöhnlich war es Hannah, die Fragen beantwortete und bestimmte, wie lange das Gespräch
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