Überraschung kommt selten allein
von meinen Problemen gehört. Ich gehe jetzt lieber.«
»Ich höre gerne von deinen Problemen. Ich komme seit Jahren nicht mit meiner Familie zurecht. Ich weiß, was du durchmachst. Lass mich dir noch ein Glas Wein holen, und ich erzähle dir mehr über meine hundegesichtige Stiefmutter.«
Hannah zögerte. »Ich muss zwar noch was arbeiten.« Sie lachte und stellte ihre Tasche wieder auf den Boden. »Aber deine hundegesichtige Stiefmutter interessiert mich sehr .«
16
~~
Auf eigene Faust
E vie hatte Alberta auf einen Sherry eingeladen. Unter normalen Umständen hätte Alberta sich darauf gefreut, aber dies waren keine normalen Umstände, und sie war enttäuscht, als ihr Lionel aus dem Haus entgegenkam.
»Lionel«, sagte sie und küsste ihn auf die Wange, »bleibst du nicht zum Sherry?«
Lionel lächelte traurig. »Himmel, nein, ich wurde weggeschickt. Ich habe den Auftrag, diese Briefe einzustecken. Des Weiteren wurde ich angewiesen, die ersten zwei Briefkästen zu ignorieren. Evie möchte ein Gespräch mit dir führen.«
»Oje«, murmelte Alberta.
»Nur Mut, meine Liebe! Evie ist eine weise Frau. Lass dich von ihr führen. Wie sagte Theodore Roosevelt? ›Neun Zehntel der Weisheit bestehen darin, zum richtigen Zeitpunkt weise zu sein.‹«
»Ich verspreche dir«, sagte Alberta, »dass ich mir große Mühe geben werde.«
»Braves Mädchen! Ich glaube an dich.«
Alberta seufzte und winkte Lionel, der seinen Gehstock zum Gruß hob. Sie klopfte an die Tür und versuchte, sich zu überlegen, was sie Tonys Mutter sagen würde.
Evie trug eine schwarze Leinenhose und einen knielangen, grünen Kaftan. Sie hatte die Haare achtlos zu einem losen Knoten im Nacken zusammengesteckt und trug die silberne Kette, die Alberta und Tony ihr letzte Weihnachten geschenkt hatten. Sollte das eine stumme Rüge sein? »Alberta!«, sagte sie. »Wie schön, dich zu sehen.«
Evies Wohnzimmer war klein und gemütlich. Jeder Zentimeter der Wände war mit gerahmten Fotografien bedeckt, von denen mindestens die Hälfte Tony, Alberta, Hannah, Jacob und Dylan zeigten. Evie hätte keine bessere Umgebung wählen können, um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Sie reichte Alberta ein sehr großes Glas Sherry und bedeutete ihr, auf dem erdbeerroten Sofa Platz zu nehmen.
»Schön«, sagte sie forsch. »Ich will gleich zur Sache kommen.«
Alberta nippte an ihrem Sherry. Nur wenn sie hier war, trank sie Sherry. Die honigfarbene Flüssigkeit wärmte sie, und ihre Nervosität ließ ein wenig nach.
Evie setzte sich zu ihr aufs Sofa. »Ich will offen sagen, dass ich nicht als Therapeutin mit dir rede. Wenn es um euch beide geht, kann ich nicht so tun, als wärt ihr meine Patienten. Und ich sollte dir sagen, dass ich im Augenblick ernsthaft an meiner beruflichen Qualifikation zweifle, da ich im Leben nicht damit gerechnet hätte, dass du und Tony jemals eine Trennung in Erwägung zieht. Ich hatte immer das Gefühl«, sagte sie, »dass du und Tony sehr gute Freunde seid.«
»Das waren wir auch immer«, stimmte Alberta ihr zu. »Bis vor Kurzem.«
»Du hast unter enormem Stress gestanden«, sagte Evie. »Wenn ein Mensch unter Stress steht, neigt er dazu, es an seinem Partner auszulassen. Das ist traurig, aber wahr.«
»Da hast du bestimmt recht. Ich weiß, dass du recht hast. Und das Ergebnis war, dass wir nicht mehr besonders gut miteinander ausgekommen sind. Wir mussten einsehen, dass wir außer unserer Freundschaft nicht viel gemeinsam haben.«
Evie rückte das Kissen hinter ihrem Rücken zurecht. »Ich glaube, ich kann mit großer Berechtigung sagen, dass sehr viele Paare, die so lange zusammen sind wie du und Tony froh wären, wenn sie voneinander sagen könnten, dass sie Freunde sind. Ich glaube, keiner von euch beiden kann ermessen, was für eine enorme Errungenschaft es ist, so lange mit jemandem zusammenzuleben, wie ihr es getan habt, und sagen zu können , wir sind echte Freunde.«
»Ich weiß, und wir hatten wirklich Glück.«
»Du hattest Glück. Über die Jahre musste ich vielen Patienten durch schwere Zeiten helfen. Ich erinnere mich an einen Mann, den ich kurz nach meinem Examen behandelte. Er und seine Frau waren seit dreiundzwanzig Jahren zusammen. Er erzählte mir, dass ihm seine Frau seit vier Jahren absolut zuwider sei. Er war nur bei ihr geblieben, weil sie jeden Mittwoch Milchreis für ihn kochte. Er sagte, es wäre der beste Milchreis der Welt. Eines Mittwochs meinte sie, sie habe genug von Milchreis. Stattdessen
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