Überraschung kommt selten allein
erst nach fünf heim. In der Küche sangen sich die Dogs of Helldie Seele aus dem Leib, also war Tony zu Hause. Er war nicht nur zu Hause, er reparierte auch den Treppenläufer, was bedeutete, er hatte ein schlechtes Gewissen wegen des letzten Wochenendes, denn sie nervte ihn schon seit Monaten damit. Als er ihr erzählte, dass Kenny angerufen und vorgeschlagen habe, heute Abend alle zusammen ein Curry essen zu gehen, warf sie einen Blick auf den Läufer und widerstand der Versuchung zu sagen, dass ihr nicht nach Gesellschaft zumute war.
Tony hatte Kenny und Jane offensichtlich vorgewarnt. Niemand erwähnte die neuesten Enthüllungen der Presse. Stattdessen unterhielten sie sich über Kinder, übers Trinken – Jane hatte ihren Alkoholkonsum drei Wochen lang reduziert, jetzt allerdings entschieden, dass sie sich viel besser fühlte, wenn sie mehr trank – sowie darüber, wie schrecklich Diana als Geschäftspartnerin war.
Letzteres war ein beliebtes Thema, da es, wie Jane richtig sagte, immer Spaß machte, über Leute herzuziehen, die zu furchteinflößend waren, um es ihnen ins Gesicht zu sagen. Früher hatte Alberta Diana immer gegen Tonys Kritik verteidigt. Heute Abend war ihr weniger danach. Diana war mit einem detaillierten, neuen Businessplan aus dem Urlaub zurückgekehrt. Sie wollte die Cateringsparte weiter ausbauen – ein bisschen viel, meinte Tony, wo sie doch selber so wenig dazu beiträgt –, und sie wollte ihre Freundin Pam so schnell wie möglich zur Partnerin machen. Einerseits war das durchaus sinnvoll, da Pam sehr viel für sie kochte und sich die Mühe gemacht hatte, die Küche zu renovieren und vom Gesundheitsamt abnehmen zu lassen. Andererseits fand Alberta die Aussicht, eine Frau, die Diana sklavisch ergeben war, mit in der Firma zu haben, eher deprimierend. Ken und Jane und Tony zeigten vollstes Mitgefühl, und auch wenn ihre Vorschläge – sprich mit Diana über deine Befürchtungen, zeig es Diana mal so richtig, steig aus dem Geschäft aus – alle nicht in Frage kamen, war sie doch dankbar für ihr Interesse. Später, als sie und Tony ins Bett gingen, war sie besänftigt genug, um ihm für die Reparatur des Treppenläufers zu danken, und er war erfreut genug, um vorzuschlagen, dass er endlich auch die neue Gardinenstange in Jacobs Zimmer anbringen könnte.
Umso unvorbereiteter war Alberta für den Sturm, der am folgenden Tag losbrach. Sie kam gut gelaunt vom Bauernmarkt und räumte die Einkäufe ein, als sie Tony draußen auf der Bank bemerkte. Später dämmerte ihr, dass sie daraus hätte schließen müssen, dass etwas nicht stimmte, da er weder die Zeitung las noch telefonierte. Er saß einfach nur da.
Sie räumte das Gemüse weg und gesellte sich zu ihm. »Möchtest du einen Kaffee?«, fragte sie. »Es ist ein bisschen kalt hier draußen, findest du nicht? Kaum zu glauben, dass Sommer ist.«
Er lächelte nicht, sagte auch nicht Hallo oder fragte, was sie gekauft habe. Er sagte: »Deine Mutter hat angerufen.«
»Natürlich. Sie ist ja gestern wiedergekommen. Hatte sie einen schönen Urlaub?«
»Ich habe sie nicht gefragt. Sie wollte unbedingt wissen, wie es dir geht. Sie ist ihre Post durchgegangen. Jemand hat ihr – anonym – den Artikel mit dem Interview geschickt. Sie wollte wissen, ob du ihn gesehen hast.«
Alberta spürte, wie ihr Gesicht unter Tonys verächtlichem Blick brannte. Sie stammelte: »Ich … ich habe ihn nicht geschickt«, und wusste noch beim Sprechen, dass er ihr nicht glaubte.
»Es ist komisch«, sagte er, »ich habe deine Mutter immer respektiert. Bei dieser Scharade von Beerdigung, auf der die meisten ihrer sogenannten besten Freunde nicht aufgetaucht sind, war sie die perfekte Gastgeberin, sorgte dafür, dass die Gäste etwas zu trinken und zu essen bekamen. Ich habe sie nie ein unfreundliches Wort zu jemandem sagen hören. Ich dachte immer, du bist wie sie. Aber das bist du nicht. Zugegeben, du redest nicht stundenlang von der Europäischen Union, und soweit ich weiß, stehst du auch nicht auf Schläge von Prostituierten, aber sonst bist du deinem Vater sehr ähnlich.«
Alberta starrte ihn ungläubig an. »Es ist mir egal, wenn du mich beleidigst«, sagte sie schließlich, »aber ich habe etwas dagegen, wenn du Pa beleidigst.«
»Es tut mir leid«, sagte Tony. »Ich habe das Gefühl, ich kenne dich nicht mehr. Ich hätte nie gedacht, dass du so rachsüchtig oder so grausam zu einer alten, alleinstehenden Frau sein kannst.«
»Ich verstehe«, sagte
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