Überraschung kommt selten allein
Entscheidung getroffen hatte. Tony entkorkte eine Flasche Wein, und sie setzten sich zusammen und sprachen über die finanzielle Situation und die Kinder, und er lächelte sie an wie immer, gerade so, als wäre nichts passiert. Er hob das Glas und sagte, er hoffe, dass sie glücklich werden würde, und sie hob das Glas und wünschte ihm das Gleiche. Alles war sehr zivilisiert.
17
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Einsam sind die Tapferen
A lberta hatte aus zwei Gründen beschlossen, aus Bath wegzuziehen. Erstens, um in der Nähe ihrer Kinder zu sein. Jacob war am University College London angenommen worden, und Hannah hatte nicht vor, die Hauptstadt zu verlassen. Der zweite Grund war nicht so leicht zu erklären, doch er hatte mit dem Vorwurf zu tun, der vor einigen Wochen gegen sie erhoben worden war.
Das passierte Alberta oft. Sie vermutete, es hing damit zusammen, dass ihr Hirn ziemlich lange brauchte, um all die Daten zu verarbeiten, mit denen es täglich gespeist wurde. Oft sagte jemand etwas zu ihr, was sie kaum wahrnahm. Die Bemerkung sank wie eine Bleikapsel in den trüben Teich, der ihr Gehirn war. Und dann entließ sie Stück für Stück halbfertige Gedanken und Ideen, die anfangs nahezu undurchdringlich waren, sich aber nach und nach zu makellosen, perfekt formulierten Botschaften zusammenfügten.
Mit vierzehn hatte sie einen Freund namens Frankie. Eines Tages äußerte ihre Mutter beim Frühstück eine zufällige Beobachtung. »Hast du bemerkt«, fragte sie, »dass man bei Frankie immer das Zahnfleisch sieht, wenn er lächelt?« Marma hatte damit nichts Despektierliches sagen wollen. Es war einfach etwas, das ihr aufgefallen war, und Alberta hatte sich nicht mal die Mühe gemacht zu antworten, da sie viel mehr mit einem Persönlichkeitstest in einer Zeitschrift beschäftigt war, der ihr eine Antwort auf die Frage geben sollte, ob sie introvertiert oder extrovertiert war. Und doch machte sie vier Wochen später mit Frankie Schluss, weil das Zahnfleisch des armen Frankie sie mehr und mehr irritierte.
Ungefähr ein Jahr später war es wieder passiert. Sie hörte, wie Tante Hilda zu Pa sagte: »Natürlich hat Christopher deinen scharfen Verstand geerbt.« Pa antwortete, das möge wohl sein, aber er würde lieber mit Alberta zusammenleben als mit Christopher, und Tante Hilda hatte erwidert, das läge nur daran, dass Alberta kochen konnte. Pa hatte gelacht, doch ziemlich ernsthaft bemerkt, dass Kochen seiner Ansicht nach ein stark unterschätztes Talent sei. Jedenfalls sei Philippas Kochkunst ein Hauptgrund für ihn gewesen, sie zu heiraten. Damals war Alberta ziemlich eingeschnappt, weil ihre intellektuellen Fähigkeiten einfach vom Tisch gewischt wurden, aber es war dieser Gesprächsfetzen, der zu ihrem Entschluss geführt hatte, lieber auf eine Hauswirtschaftsschule als auf die Universität zu gehen.
Und dann, als sie Ed heiratete, sagte ihre Freundin Sally nach der Trauung, sie habe schon immer gewusst, dass Alberta eine Ein-Mann-Frau sei und sich nie in einen anderen verlieben würde, wenn sie erst einmal den Richtigen gefunden hatte. Als Alberta jetzt darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass es wohl eher eine dieser überschwänglichen, sentimentalen Bemerkungen gewesen war, wie man sie nach ein paar Gläsern Champagner gerne machte. Trotzdem blieb sie in einer dunklen Ecke von Albertas Erinnerung hängen, und sie wusste nur zu gut, dass Ed auch nach seinem Tod eine Hauptrolle in ihrem Leben gespielt hatte. Selbst als sie beschlossen hatte, sich mit Tony zusammenzutun.
Und jetzt wurde Alberta von der wütenden Bemerkung verfolgt, die ihre Tochter vor Wochen gemacht hatte. Hannah hatte ihr an den Kopf geworfen, sie sei unfähig, allein zurechtzukommen. Zugegeben, sie war damals wegen Alfie völlig durcheinander gewesen und hatte sich später entschuldigt, aber es tat trotzdem noch weh.
Und der Grund dafür war, dass Alberta überhaupt nicht sicher war, ob es nicht stimmte. Sie hatte nie allein gelebt. Sie hatte bei ihren Eltern gewohnt, dann mit Ed zusammen, dann bei Eds Eltern und schließlich mit Tony zusammen. Es war Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen, und das bedeutete, sie musste Bath verlassen. Durch ihren Umzug in eine fremde, neue Umgebung würde sie beweisen, dass sie kühn und mutig und furchtlos war. Sie verlor sich sogar in einem angenehmen Tagtraum, in dem Hannah zugab, dass sie ihre Mutter all die Jahre schwer unterschätzt hatte.
Doch ehe das geschehen konnte, musste Alberta ihr neues, furchtloses
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