Überraschung kommt selten allein
Leben zu einem Erfolg machen. Sie sah sehr wohl, dass es nicht besonders furchtlos war, bei ihrem Bruder und ihrer Schwägerin einzuziehen, aber schließlich war es ja nur vorübergehend, und sie war sehr darauf bedacht, ihrer ganzen Familie deutlich zu machen, dass dieses Arrangement geschäftlicher Natur war. In diesem Sinne hatte sie gefragt, ob sie Hannah und Kitty am Sonntag zum Mittagessen einladen dürfe, und in demselben Sinne hatte sie klargemacht, dass sie gleich nach ihrer Ankunft in Brixton sowohl fürs Mittagessen als auch für den Rest der Woche einkaufen würde.
Als das Taxi sie vor Christophers Haus absetzte, eilten ihre neuen Vermieter heraus, um sie zu begrüßen, und sie bestanden darauf, ihre Koffer nach oben in ihr Zimmer zu tragen. Christopher verkündete, dass er und Helen sie am Abend zum Essen ausführen würden. Auch am folgenden Tag würden sie mit ihr in ein Restaurant gehen.
Alberta blinzelte und sagte schnell: »Ich gehe gerne heute Abend mit euch essen, aber morgen Mittag will ich kochen. Ich kann nur hierbleiben, wenn ihr mir helft, unsere Vereinbarung einzuhalten.«
»Natürlich«, antwortete Christopher, »aber …«
»Ich glaube, wir sollten Alberta erst mal auspacken lassen. Alberta, die Dusche nebenan hast du für dich. Die Küche ist dein Reich. Auf dem Tisch in der Diele liegt ein Schlüssel für dich. Wir wollen um sieben gehen. Fühl dich wie zu Hause.« Sie ergriff Albertas Hände, gab ihr ein schnelles Küsschen auf die Wange und schob ihren Mann hinaus.
Sobald sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, sank Alberta aufs Bett und schluckte schwer. Sie und Tony waren nur ein paarmal hier gewesen, und sie hatte vergessen, dass das Bett bei der geringsten Berührung quietschte.
Das Zimmer hatte ein großes, luftiges Fenster, aber ansonsten war es nicht besonders einladend. Es wurde von einem riesigen, erdrückenden Schrank und einer gleichermaßen hässlichen Kommode dominiert. Über dem Bett hing ein gerahmter, verblasster Druck von einer Fasanenjagd mit zwei toten Fasanen im Vordergrund. Alberta erhob sich, ging zum Schrank und öffnete ihn. An der Innenseite der Tür gab es einen Spiegel. Er war gesprungen und ließ sie nicht nur seltsam viereckig aussehen, sondern auch noch kleiner als die ein Meter fünfundfünfzig, die sie maß.
Sie schloss die Tür und betrachtete die schweren, rotbraunen Vorhänge und den zerschlissenen Teppich. Sie versuchte, nicht an das Schlafzimmer zu denken, das sie verlassen hatte, mit dem Bettgestell aus Messing, dem milchkaffeefarbenen, weichen Teppichboden und den hellen Vorhängen. Sie hatte gewusst, was sie erwartete, außerdem war es ja nur für ein paar Wochen, und dann würde sie in ihre eigene Wohnung ziehen.
Nur keine Panik, dachte Alberta. Was hatte sie bloß getan ? Hatte sie aus einer Laune heraus ein perfektes, gutes Leben in Bath aufgegeben? Was machte sie in diesem deprimierenden, fremden Haus? Beim Fenster gab es ein Waschbecken mit einem blauen Zahnputzbecher aus Plastik neben dem Kaltwasserhahn. Sie füllte ihn mit Wasser und trank gierig. Dann setzte sie sich wieder auf das protestierende Bett und rief sich ein paar Fakten ins Gedächtnis. Sie hatte sich von Tony getrennt, weil sie nicht länger mit einem Mann zusammenleben wollte, der immer noch eine Kerze für seine Exfrau anzündete. Sie hatte sich von Tony getrennt, weil er sie so wenig respektierte und ihr tatsächlich zutraute, dass sie ihrer Mutter ein anonymes Päckchen schickte. Und als sie ihm erklärt hatte, dass ihre Beziehung ihrer Meinung nach das Verfallsdatum überschritten hatte, konnte sie in seinem Blick lesen, dass er genauso dachte.
Also. Hier saß sie nun und musste das Beste draus machen. Sie packte den Koffer aus, nahm den leeren Einkaufstrolley mit nach unten, schnappte sich die Schlüssel vom Tisch in der Diele und machte sich auf den Weg in die Läden. Sie hatte Einkäufe zu erledigen.
Zuerst fühlte sie sich ein bisschen unsicher mit ihrem Einkaufsroller im Schlepptau. Doch schon nach ein paar Minuten auf der Straße wurde ihr klar, dass sie sich keine Sorgen machen musste aufzufallen, da sie niemals mit der bunten Vielfalt aus Farben, Lärm und Menschen um sich herum konkurrieren konnte. In Bath waren die meisten Menschen weiß. Sie hatten entweder das Handy am Ohr oder studierten ihre Einkaufslisten, oder sie redeten diskret mit ihren Begleitern. Hier schwirrten hundert verschiedene Sprachen in der Luft, und in den ersten zehn
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