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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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Minuten erlebte sie zwei ausgewachsene Auseinandersetzungen, ein fröhliches Wiedersehen und drei erhitzte Diskussionen, denen sie liebend gern zugehört hätte. Sie bekam Flyer über einen Gospelchor, einen Flohmarkt und mindestens drei verschiedene Kunstausstellungen. Einmal wurden ihr Drogen angeboten und zweimal Liebe und Erlösung durch Jesus, und sie entging um Haaresbreite einer Kollision mit einem Jungen auf einem roten Fahrrad. Erschöpft, aber ziemlich beschwingt kehrte sie nach Hause zurück. Sie hatte eine Veränderung gewollt, und die hatte sie bekommen.
    Von Helen und Christopher war nichts zu sehen, und sie nahm an, dass sie ausgegangen waren. Dann hörte sie ein Hüsteln aus einem der oberen Räume, und ihr fiel ein, dass sie wahrscheinlich in ihren Arbeitszimmern saßen. Das hier war ein ganz anderer Haushalt als der, den sie verlassen hatte. Sie überlegte, ob sie den beiden eine Tasse Tee bringen sollte, und entschied, sie nicht zu belästigen. Sie öffnete den Kühlschrank und betrachtete den Inhalt: Zwei Flaschen Milch, zwei alte Zucchini, eine halbleere Dose Baked Beans, eine Packung Schnittkäse und ein Päckchen Margarine.
    Sie machte den Kühlschrank wieder zu und packte ihre Einkäufe aus. Egal, was aus ihr wurde, sie würde ihrem Bruder und ihrer Schwägerin zur Abwechslung einmal etwas Anständiges zu essen servieren. Es rührte sie, dass die beiden sie zum Essen ausführen wollten, und umso größer war ihr schlechtes Gewissen, dass sie vorhin so wenig Begeisterung für die Einladung gezeigt hatte.
    Christopher war ein guter Mensch, sicherlich der gewissenhafteste Mann, den Alberta kannte. Als Teenager war er ein leidenschaftlicher Sozialist gewesen und hatte die meisten Wochenenden als Freiwilliger in einem Flüchtlingsheim verbracht, wo er den Leuten Englisch beibrachte. Popmusik und Partys interessierten ihn nicht, und soviel Alberta wusste, hatte er nur eine richtige Freundin gehabt, die sowohl zu Akne als auch zu Depressionen neigte. Alberta vermutete, dass er das Mädchen mochte, weil es eine Frisur wie Joan Baez hatte.
    Christopher lernte Helen kennen, als er an der Universität von Toronto lehrte. Helen war Lehrerin, und sie trafen sich bei einem Vortrag über das Schicksal des Planeten. Sie heirateten in aller Stille ein paar Monate später. Alberta bekam einen Brief von Christopher – sie hatte ihn noch –, in dem er schrieb, wie sehr es ihn beeindruckt habe, dass sie so glücklich mit Ed war und dass er, bis er Helen kennenlernte, nie geglaubt hatte, auch so etwas zu finden. Er schrieb, Helen sei wunderschön. Und schickte ein Foto mit, das bezeugte, dass Liebe zwar nicht immer blind machte, aber doch ziemlich kurzsichtig.
    Während Helen mit Richard schwanger war, schrieb Christopher das Buch – Chaucer und das Zwanzigste Jahrhundert –, mit dem er sich einen Namen machte. Zwei Jahre später nahm er eine Stellung am University College an, kaufte das Haus in Brixton und hatte sich seitdem nicht mehr verändert. Helen hatte verschiedene Stellen gehabt und war jetzt Leiterin des Fachbereichs Erdkunde an einer Gesamtschule in Hackney.
    Ihr Sohn hatte sich nach einer schwierigen Pubertät zu einem liebenswerten und fröhlichen jungen Mann entwickelt, der alles an Amerika liebte. Er war zurzeit in Harvard und hatte eine umwerfende Freundin namens Macy, die zeitweise als Model arbeitete. Sein erklärtes Ziel war es, in New York zu leben und so viel Geld wie möglich zu verdienen. Seine Eltern betrachteten ihn mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Zuneigung. Sie verstanden zwar nicht, woher dieser selbstbewusste, gut aussehende junge Kapitalist kam, beteten ihn aber trotzdem an.
    Alberta liebte ihren Bruder und mochte Helen sehr gern. Sie war keinem von beiden je sehr nahe gewesen, denn Gutmenschsein war keine Eigenschaft, die große Nähe förderte, und Christopher und Helen waren sehr gute Menschen. Sie verabscheuten Eigennutz, Missgunst, Neid und Habgier. Natürlich verabscheute Alberta diese Dinge auch, doch es war traurig, aber wahr, dass sie jedes Gespräch erst wirklich interessant machten.
    Außerdem war da noch die Tatsache, dass sie sich vor vielen Jahren darauf geeinigt hatten, die Hauptverbindung zwischen sich – ihre Eltern – zum Tabuthema zu erklären.
    Alberta hatte ihre Mutter nie gefragt, warum sie sich während ihres Jahres in Kanada nicht gemeldet hatte. Sie hatte angenommen, Marma würde es nach ihrer Rückkehr erklären, und als das nicht der Fall war, hatte

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