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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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die Schule abgeschlossen, machte eine Ausbildung zur Arzthelferin und wusste, dass sie ein Werwolf war. Diese Wahrheit hatte ihre Welt auf den Kopf gestellt, jedoch hatte sie sich mit der neuen Situation erstaunlich schnell angefreundet. Es steckte viel von Pyr in ihr, aber das ahnte sie noch nicht. Auch in anderer Hinsicht wurde sie seiner Königin immer ähnlicher. Es war weniger das Äußere als viel mehr ihre Gestik und Mimik. Wie sie sich bewegte, den Kopf neigte oder die Augen aufschlug. Die Art, wie sie lachte, war bezaubernd. Ein helles, klares Lachen, das natürlich und frisch klang, das alte Erinnerungen weckte. Bei allen Mächten, wenn er dieses Lachen hörte, fühlte er sich in die Zeit zurückversetzt, in jenes alte Schlossgemäuer, in dem Pyr gelebt hatte und er ihr Diener gewesen war.
    Isabellas Eltern hatten sich an die Abmachung gehalten und ihrer Tochter nichts über ihre andere Seite verraten. Nun war der Moment gekommen, ihr zu offenbaren, wer sie in Wirklichkeit war – die Wiedergeburt der Vampirkönigin Pyr, die im Krieg gefallen und nach ihrem Tod in das Unterreich verbannt worden war. Oh, er hatte sein ganzes Leben damit verbracht, sie aus dieser Hölle zu befreien, damit er und sie wiedervereint sein konnten. Endlich erfüllte sich ihrer beider Schicksal.
    Vasterian wählte den Tag nach ihrem 20. Geburtstag aus. Isabella feierte mit ihren Freunden in einem Club, wie sie es zuvor unzählige Male getan hatte. Er beobachtete sie eine Weile beim Tanzen. Sie war wunderschön, erblüht wie eine Rose und er sah nicht nur seinen Schützling in ihr, sondern auch die Frau, die sie geworden war. Ihr Anblick erinnerte ihn daran, nicht nur ein Vampir, sondern auch ein Mann zu sein.
    Vasterians Herz schlug schneller. Das tat es oft, wenn er in ihrer Nähe war. Aber dieses Mal war das Gefühl anders. Er war von Zärtlichkeit erfüllt, verspürte den Drang, sie zu berühren, sie zu halten, sogar zu küssen. Benommen schüttelte er den Kopf. All die alten Gefühle zu Pyr schossen in ihrer Intensität auf ihn ein, dass es ihn fast von den Beinen riss. Diese Gefühle waren zu stark, er konnte nicht mit ihnen umgehen, hatte es verlernt.
    „Ist Ihnen nicht gut?“, fragte eine Frau, die zufällig neben ihm stand.
    „Alles in Ordnung“, beruhigte er. Seine Stimme klang schwach, dennoch schien ihm die Frau zu glauben und ließ ihn in Ruhe.
    Vasterian blickte erneut zu Isabella, immer noch zutiefst erschüttert von der Wandlung, die allein ihr Anblick auslöste. Isabella tanzte jetzt nicht mehr allein. Ihre Arme lagen um den Hals eines jungen Mannes. Vasterian kannte ihn. Sein Name war Steffen. Er wusste, dass Isabella einst für ihn geschwärmt hatte, doch es war nie etwas Ernstes gewesen, nichts, das ihn beunruhigt hätte. Doch als sich ihre Münder einander näherten, ihre Lippen ineinander zu verschmelzen schienen, stach etwas so schmerzhaft, so vernichtend in seine Brust, dass seine Hand sich augenblicklich in die Stelle krallte. Es fühlte sich an, als würde jemand seinen Brustkorb entzweireißen. Er fühlte sich verraten, auch wenn es unlogisch war, weil sie nicht wusste, dass er ihr dunkler Beschützer und sie seine Königin war!
    Und doch konnte er die Wut nicht ausschalten, die sich hochschaukelte. Sie war sein Schicksal! Sie gehörte ihm! Aber noch war es nicht zu spät, er konnte sie immer noch für sich gewinnen. Er musste nur diesen Störenfried beseitigen. Der Vampir in ihm übernahm die Kontrolle, löschte jede zärtliche Emotion und erweckte den Jäger.
    Das Paar verließ den Club und er folgte ihnen. Die jungen Leute, die ihm entgegenkamen, wichen ehrfürchtig aus, wagten es nicht, in seine rot glühenden Augen zu blicken. Draußen auf dem Parkplatz fand er die beiden wieder. Sie küssten sich wild. Erneut durchzuckte ihn der Zorn. Er schoss auf Steffen zu, packte ihn an der Schulter und riss ihn zu Boden. Er sollte für seine Dummheit, sich ihm, dem Mächtigsten von allen, in den Weg gestellt zu haben, bitter bezahlen. Doch gerade, als er sich auf den perplexen jungen Mann stürzen wollte, um seine Eckzähne in dessen Hals zu versenken, riss ihn ein Schluchzen herum.
    „Bitte nicht, bitte tun Sie ihm nichts“, hauchte Isabella. Ihre Stimme zitterte unerträglich vor Angst. Er hatte sie dennoch verstanden. Vasterian drehte sich zu ihr um, und als er in ihr Gesicht blickte, kehrte der Schmerz in seiner Brust zurück. Sie hatte Angst. Vor ihm, ihrem Beschützer, ihrem einstigen Geliebten, von

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