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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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gewöhnt. Jemand anders hatte er noch nie dabei beobachtet. Wenn auch besorgt, konnte er seine Bewunderung für diese Frau nicht abstreiten.
    „Verdammt, Weib. Wo kann ich dich finden?“, rief er zu ihr hinab.
    „Am nördlichen Stadtrand. Du wirst mich nicht verfehlen, ich sorge dafür, dass ein Licht am Himmel dich zu mir führt.“
    Mit diesen Worten lief sie davon. Ihr roter Umhang bauschte sich im Wind. In seinem Herz zog eine besorgniserregende Leere auf. Doch er würde ihr den Gefallen tun und ihre Flucht nach aller Kraft unterstützen.

    „Unpässlich, sagst du?“ Unter Baron Luthias kreischender Stimme klirrte das Kristall in den Schränken, als hätte sich ein ganzer Schwarm Raubvögel in die holzgetäfelte Bibliothek verirrt. „Alice Molland ist niemals unpässlich.“
    „Dennoch habt Ihr sie gegen ihren Willen hier festgehalten, mit Mitteln, die von einem Gentleman in keiner Weise zu erwarten wären.“ Cayden hatte nicht vor, klein beizugeben, auch wenn sich der Baron in den vergangenen Gesprächen als sein Mentor bewiesen hatte.
    Wie Alice vermutet hatte, war ihre Abwesenheit erst am zweiten Abend aufgefallen. Möglicherweise war der Baron auch viel zu sehr mit seinem neuen Schützling beschäftigt gewesen. Nahezu ohne Unterlass hatte er Cayden über das Dasein eines Vampirs, insbesondere eines Geborenen, unterrichtet, wodurch ihm wertvolle Erkenntnisse für sein zukünftiges Leben vermittelt wurden. Allerdings hatte Cayden nicht vor, diese Zukunft in einer Einrichtung für gestrandete Übernatürliche zu verbringen. Er sah sich an der Seite der Frau, die ihm gerecht werden konnte, die seinen Bedürfnissen entsprach und deren betörende Schönheit in ihm weitaus mehr auslöste, als er je dachte, für eine Frau empfinden zu können.
    Luthias’ Ausbruch erzeugte ein tiefes Knurren in seinem Inneren. Empört baute er sich vor ihm auf.
    „Ihr benehmt Euch wie ein Jungspund, Mylord. Darüber, wie ich eine Dame zu behandeln habe, werde ich mich sicher nicht von Euch belehren lassen“, donnerte Luthias, die Augen zu Schlitzen verengt.
    Cayden zuckte zusammen unter dem Krampf in seinem Kopf, der eindeutig auf einen mentalen Angriff des Barons zurückzuführen war.
    „Sie hat sich für mich entschieden“, presste Cayden hervor.
    „Hat sie das? Und Ihr glaubt ernsthaft, dass ich es dulde, mir von einem Nebenbuhler etwas nehmen zu lassen?“
    Um seinen Worten Taten folgen zu lassen, entlud sich Luthias’ Zorn an einen unbeteiligten Diener, der untertänig im Raum stand und seine Befehle abwartete. Sein heutiger Dienst bestand darin, zu sterben. Mit einer fließenden Bewegung ergriff der Baron den dürren Hals des Mannes und brach ihm das Genick.
    Schockiert starrte Cayden auf den Leichnam. Ihm war bewusst, dass dieser Akt der Gewalt eigentlich ihm zugedacht war. Doch etwas hielt den Baron anscheinend ab, ihn anzugreifen.
    Luthias funkelte ihn an, drohte ihm mit erhobenem Zeigefinger. „Ich werde Euch mal etwas über Alice Molland erzählen. Nur unter meinem Bann war sie geschützt. Das Lynchkommando hat nur darauf gewartet, dass sie mein Haus verlässt.“
    Cayden öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch gleichzeitig schoss eine Welle der Panik durch ihn hindurch.
    „Sie ist in keiner Weise fähig, ohne Hilfe ihre Macht zu kontrollieren und könnte zu einem wahren Inferno werden“, fügte der Baron hinzu.
    Einen Moment erleichtert über die Vorstellung, dass sich Alice notfalls zur Wehr setzen konnte, fiel die Anspannung von ihm ab. Allerdings blieb eine dunkle Vorahnung.
    Hinter dem Baron eilten zwei weitere Diener herbei. Nahezu geräuschlos zogen sie den Leichnam hinaus.
    „In ihrer Einfalt glaubt sie, mit Eurem Blut bei Tage ebenso mächtig zu sein wie bei Nacht.“ Die Stimme des Barons hatte sich gesenkt. Seine Stirn lag sorgenvoll in Falten gelegt.
    „Aber dem ist nicht so“, erwiderte Cayden, wohl wissend, welches Risiko sein Tagwandeln mit sich brachte. Eine Woge von Schuldgefühlen brauste über ihn hinweg. Er musste etwas unternehmen, sie zurückholen.
    „Dazu ist es zu spät“, erwiderte der Baron kaum hörbar, als Cayden schon die Tür erreicht hatte.
    „Niemals!“
    Dieses Mal brachte Caydens Stimme die Wände zum Erzittern.

    Er rannte durch die Londoner Straßen, so schnell ihn seine menschlichen Füße zu tragen vermochten. Menschen wichen ihm aus, rissen ihre Kinder zur Seite. Cayden spürte ihre Blicke im Rücken. Er erreichte den Stadtrand, als gerade die Sonne am

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