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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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unterliegen, in denen explizit nicht nur die Terrorabwehr, sondern auch die Verfolgung ökonomischer Interessen Teil ihres Auftrags ist [6] . Schon aus Gründen eigener Wettbewerbsfähigkeit wäre es ratsam, wenn die entsprechenden Länder solche sehr weitgehenden Spionagebestimmungen abschafften.
    Zuallererst ist Transparenz nötig, was Sicherheitsbehörden in traditionellen Demokratien erlaubt ist. In diesem Sinne forderten im Juli zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen unter Einschluss des ver.di-Vorsitzendem und Bürgerrechtler in einem offenen Brief an die nationale und die EU-Ebene unter dem Motto »Stop Surveillance« [7] , »alle Verträge, Gesetze und Maßnahmen unmittelbar offenzulegen«, welche die informationelle Selbstbestimmung der Bürger betreffen und diese möglicherweise verletzen. Internationale Kooperationen zwischen Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Geheimdiensten dürften nicht zur Umgehung des innerstaatlichen Grundrechtsschutzes missbraucht werden, heißt es in dem Schreiben gegen jede Form anlassloser und unverhältnismäßiger Überwachungsmaßnahmen weiter. In internationalen Verträgen müsse der Schutz und die Achtung der Privatheit sowie entsprechende Rechtsmittel auch gegen Überwachungsmaßnahmen durch Drittstaaten verankert werden.
    Immerhin gibt es in den westlichen Ländern noch einen Rechtsstaat, auf den sich die Bürger beziehen können und der eine Kontrolle von Sicherheitsbehörden zumindest theoretisch erlaubt. In anderen Ländern der Welt und insbesondere in autoritären Staaten existieren rechtsstaatliche Normen entweder in geringerem Ausmaß oder lassen sich noch weniger durchsetzen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass deren Geheimdienste in ähnlicher Weise aktiv sind wie die der USA und Großbritanniens.
    Reform rechtsstaatlicher Kontrolle und digitaler Selbstschutz
    Es sind also zum einen Gesetze zu erlassen und Vereinbarungen auf möglichst globaler Ebene zu treffen, um die rechtsstaatliche Kontrolle über die in eine Parallelwelt entfleuchten Spionagegroßmeister wiederzuerlangen und funktionstüchtig zu gestalten. Dabei ist im Blick zu behalten, dass Firmen viel Geld damit verdienen, indem sie den Staat bei der Netzspionage unterstützen. Das macht parlamentarische Überwachungsgremien zur prominenten Zielscheibe für aggressiven Lobbyismus und Bestechungsversuche.
    Zudem bleibt es wichtig, Möglichkeiten zum digitalen Selbstschutz etwa durch geprüfte Verschlüsselungsverfahren bekannter und einfacher zu machen. Die Aufklärung über die Gefahren von Datenverlusten und der Profilbildung ist sträflich vernachlässigt worden. Bürger, Jugendliche, Kinder wissen häufig wenig über die Grundfunktionen und Mechanismen des Netzes. Welche Werkzeuge zum Datenschutz werden ihnen angeboten? Welche Vorgaben macht der Verbraucherschutz? Werden diese kontrolliert und bei Missbrauch sanktioniert? Welchen Kriterien unterliegt der Aufbau der öffentlichen Infrastrukturen des Staates und seiner Bürgerdienste?
    Auch hier stecken oft IT-Lobbyisten ihre Claims ab und setzen allein auf Verfahren, mit denen ihre Firmen viel Geld verdienen können. Es fehlt dagegen an klaren Bestimmungen, welche Daten online verarbeitet werden dürfen und welche man tunlichst aufgrund der großen Missbrauchsgefahr aus der digitalen Welt heraushalten sollte. Dazu gehören etwa Krankheitsdaten; vielleicht ist das Netz im Lichte der Spionage-Enthüllungen aber auch nicht der richtige Ort für manche Verfahren im Bereich des E-Government und des Rechtswesens. Doch wer erstellt eine Liste, welche Dienste nicht übers Netz angeboten und welche (kritischen) Infrastrukturen keinesfalls ans Internet angebunden werden sollten?
    Die Politik muss nachsitzen
    Für Regierungen sind solche Fragen in der Tat oft noch »Neuland«. Die Politik hat es bisher nicht als ihre Aufgabe begriffen, sich selbst wirklich fachkundig zu machen und einen belastbaren und tragfähigen Rechtsrahmen für das Internet zu erarbeiten, der sich am Gemeinwohl orientiert. Sie hat das Feld stattdessen weitgehend den Unternehmen– und eben den Geheimdiensten – überlassen. Jetzt gilt es, die Online-Welt endlich als öffentlichen Raum zu verstehen [8] .
    Genauso muss die Politik das Internet von seiner technischen Seite her besser begreifen. »Code is law.« Mit diesem Satz hat der US-Rechtsprofessor Lawrence Lessig schon Ende der 1990er deutlich gemacht, dass Programme, Software, technische Architekturen und Standards auch

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