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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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rechtliche sowie soziale Normen setzen. Der Jurist wollte mit dieser Ansage vor allem der in den Anfängen des Internets weitverbreiteten Meinung entgegentreten, dass das weltweite Kommunikationsnetz nicht kontrolliert und reguliert werden könne, weil seine Grundstruktur dagegen immun sei. Positiv gewendet lässt sich sagen, dass es maßgeblich auch von politischen Entscheidungen abhängt, wie die Architektur des Netzes und anderer technischer Basisinfrastrukturen ausfällt. Regulierer legen fest, ob das Internet ein Ort der Freiheit bleibt oder repressive Kontrolle schafft und ob es demokratische Strukturen sowie Rechte unterstützt oder torpediert.
    Und es gilt, die spezifische Missbrauchsanfälligkeit der Online-Welt, die ungeheuerlichen Überwachungs- und Auswertungsmöglichkeiten und ihre Gefahren für den einzelnen Bürger, für jedes Unternehmen und die Demokratie als Ganzes zu verstehen. Snowdens Enthüllungen sind ein Weckruf für die Demokratie. Wir dürfen uns jetzt nicht die Ohren zuhalten, weil ein Gegensteuern mit – unangenehmer – Arbeit verbunden ist.
    Jedes größere, für die Öffentlichkeit relevante IT-Projekt muss vielmehr der Prüfung unterzogen werden, ob es missbrauchsresistent und demokratiekompatibel – oder -schädlich ist. Der Verbraucher- und Datenschutz muss in die Planung von Alltagsgeräten und Infrastrukturen einbezogen werden. Notwendig ist eine Art demokratischer Technikfolgenabschätzung. Sie muss reichen von der elektronischen Gesundheitsakte über das neue Internetprotokoll IPv6 und »Smart Cities« bis hin zum »Internet der Dinge«, mit dem Überwachungstechnologien in die Alltagsgeräte unserer Wohnungen wie Fernseher und Fortbewegungsmittel eingebaut werden könnten. Gefordert ist ein neuer Gesellschaftsvertrag zum Sichern der Privatsphäre in der digitalen Welt, der sich der technikgetriebenen Entwicklung von Überwachungsstaaten Orwellschen Ausmaßes entgegenstemmt [9] .
    Noch sind auf dem Weg dorthin viele Fragen offen: Wer setzt die Standards? Haben wir die in Fragen von Technik und Gemeinwohl ausgebildeten Fachkräfte? Wie steht es um unsere Forschungsinfrastruktur? Gibt es noch unabhängige, gemeinwohlorientierte Forschung? Oder ist es nicht vielmehr so, dass aufgrund der Drittmittelabhängigkeit Unternehmensinteressen dominieren und über IT-Infrastrukturen ohne Bedenken umfassende, zu Profilen zusammenfügbare personenbezogene Daten gesammelt werden, da es sich dabei um die Währung des digitalen Zeitalters handelt? Wissen Führungskräfte und Entscheidungsträger/
innen im öffentlichen und privaten Bereich um die Dimensionen möglicher technischer Abhängigkeit, routinemäßiger Auswert- und Manipulierbarkeit? Unabdingbar ist, dass die Bürger/innen die Hoheit über ihre Daten bewahren können müssen – ohne dass sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen.
    Kernforderungen an eine
grundrechtsbewusste Netzpolitik nach Snowden
    Wir brauchen eine Task-Force »Digitale Demokratie«
    Die Zeit drängt. Die Tücken und Lösungsmöglichkeiten bei der gemeinwohlorientierten Infrastrukturplanung müssen rasch aufgezeigt, bestehende und geplante IT-Projekte von öffentlicher Relevanz auf ihre Demokratieverträglichkeit hin evaluiert werden. Eine solche Arbeit darf nicht von IT-Lobbyisten, sondern muss von unabhängigen Fachkräften interdisziplinär ausgeführt werden. Das kostet Geld. Private Unternehmen und öffentliche Verwaltungen sollten diese Kosten in ihre Haushaltsplanungen aufnehmen. Die Erarbeitung von Kriterien für gemeinwohlorientierte IT-Infrastrukturen bedarf öffentlicher Transparenz.
    Wir müssen um unsere Grundrechte kämpfen – national und international
    Wir müssen um unsere Grundrechte kämpfen, sonst ist die Demokratie am Ende [10] . Es ist höchste Zeit für ein Wiedererstarken urdemokratischer Tugenden zur Verfassungstreue in den USA. Beim transatlantischen Freihandelsabkommen, das derzeit verhandelt wird, bedürfen die Fragen des Datenschutzes der Klärung. Dafür muss die künftige Bundesregierung umgehend neue Impulse in Washington und Brüssel setzen und über die bereits ins Spiel gebrachten Änderungen eines UN-Pakts die Sicherung der Privatsphäre endlich weltweit zum Menschenrecht erklären. Es ist überfällig, das informationelle Selbstbestimmungsrecht zum Exportschlager zu machen. Generell muss eine Gesellschaft demokratisch unter Abwägung aller Folgen entscheiden, welche Form der Überwachung sie akzeptieren und wie sie das

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