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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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als der geistesverwandte Bradley Manning – kann ein solcher Bürger- und Staats-Idealist das Ideal des Bürgers und das Ideal des Staats neu beleben? Und damit gleichsam neue Ideale des Bürgers sowie des Staats definieren helfen?
    Von EZLN über WikiLeaks zu Snowden
    Edward Snowden hat mehrfach zu verstehen gegeben, dass er mit seinen Enthüllungen der USA nicht schaden möchte – im Gegenteil. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter entpuppt sich als demokratietheoretisch geschulter Bürgerrechtler, wenn er in seinen Ausführungen auf die Notwendigkeit einer öffentlichen Debatte verweist. Er macht den Schritt an die Öffentlichkeit in einem besonderen Moment: Noch während Bradley Manning der Prozess gemacht worden ist, sichtlich darum bemüht alle potenziellen Whistleblower einzuschüchtern, legte er Informationen nach, die die von Manning angestoßenen Debatten über das Verhältnis von Staat und Bürger in neuer Weise befeuern.
    Während Manning den Rohstoff (Informationen) lieferte, verstand es WikiLeaks den Informationen eine Perspektive, eine Stoßrichtung zu geben: die Rechenschaftspflicht öffentlicher Institutionen reaktivieren. Die Whistleblower-Plattform konnte die an sie gerichteten Erwartungen nicht vollends erfüllen. Doch hat sie ein wichtiges historisches Bindeglied geschaffen zwischen disparaten Ansätzen und Bewegungen, die die Rolle des (aufbegehrenden) Bürgers und die Aufgaben des Staats auf ihre Agenda gesetzt haben. Der Fall Snowden erscheint vor diesem Hintergrund als Speerspitze einer diffusen Bewegung, die so unterschiedliche Strategien verfolgt wie Raumbesetzungen und Online-Aktivismus. Und das in so unterschiedlichen Ländern wie Deutschland und Mexiko.
    Einmal aus der Vogelperspektive betrachtet: Die jüngsten Aufstände rund um den arabischen Frühling, die Occupy-Bewegung, netzpolitische Initiativen (u.a. Ad-ACTA) sowie die Riots von Paris bis London beerben die globalisierungskritischen Bewegungen nach den Ausschreitungen von Seattle im Jahre 1999. Ihren Vorläufer haben jene wiederum in den Aktionen der EZLN. Sie besetzen seit den frühen 1990er Jahren eine verarmte Region in Süd-Mexiko und verzichten dabei auf Waffengewalt. Ihren öffentlichen Druck entfalten sie stattdessen medial. Dabei gilt das Aufbegehren nicht primär den multinationalen Konzernen und der globalen Wirtschaft, die als primäre Ursachen für das Elend gelten. Vielmehr wendet sich ihr Widerstand gegen den Staat. Wer sonst könnte Rechte garantieren? Wer sonst könnte den Ausverkauf des Landes und somit auch die Macht der multinationalen Konzerne eindämmen?
    Willkommen im Bürgerkrieg!
    Es ist eine Bewegung, die sich (noch) nicht als solche begreift. Ob wir hier über die 99% sprechen oder eher eine Minderheit der Weltbevölkerung sei dahingestellt. So oder so: All jene, die sich heute noch in einem sich auflösenden beziehungsweise im Entstehen begriffenen Rechtsrahmen bewegen und engagieren sind noch »informelle politische Subjekte« (Saskia Sassen), die im bevorstehenden Geschichtsabschnitt zu »formal politischen Subjekten« reifen, sprich; die neuen Bürger werden.
    Dass dieser Prozess nicht ohne Kampf möglich ist, daran erinnern Tiqqun. Das Autorenkollektiv aus Frankreich meint: Recht zu haben reiche nicht aus, man müsse auch in der Lage sein, Veränderungen herbeizuführen. Tiqqun ist nicht so dumm Gesetze (und Rechte) für »nutzlos« (Evgeny Morozov) zu erklären, sondern relativiert ihre gesellschaftspolitische Funktion und verweist nicht zuletzt auf das Dilemma der Rechtsdurchsetzung – deren schleichende Privatisierung einerseits, deren Aufhebung andererseits. Konsequenterweise ruft Tiqqun den Bürgerkrieg aus. Unter anderem mit dem Ziel, den Rechtsstaat zu reanimieren.
    Man kann den »Snowden-Effekt« mit »Paranoia« und »Getöse« (Otto Schily) abtun, aber damit weder das »Ende der Debatte« (Frank Schirrmacher) legitimieren, noch den »kommenden Bürgerkrieg« in Abrede stellen. Zu ernsthaft bedrohen sowohl die Überwachungsverfahren als auch deren Undurchsichtigkeit die Gesellschaft. Die Vermählung von Staat und Wirtschaft ermöglicht ein post-panoptisches Schattenregime der »sozialen Klassifizierung« (David Lyon), der »kumulativen Benachteiligung« (Oscar Gandy), der »datenbasierten Diskriminierung« (Kurz/Rieger) sowie der »Adiaphorisierung« (Zygmunt Baumann) – derweil sich die Spaltung zwischen Bürger und Staat verschärft.
    Bedrohungen, Gegenmittel, Forderungen
    Wenn

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