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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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haben Institutionen bzw. ihre Mitarbeiter einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb und neigen zum Aufblähen. Stellen und Budgets werden mit Zähnen und Klauen verteidigt.
    Zudem scheinen die Überwachungsprogramme der Industriespionage und Wirtschaftsinformation zu dienen; dieses Motiv ist wahrscheinlich ein wesentlicher Faktor; nicht zuletzt weil prosperierende heimische Unternehmen auch wieder durch Steuereinnahmen Geld in die Staatskassen spülen. Aus »betriebswirtschaftlichen« Gründen macht es selbstverständlich Sinn, die Möglichkeiten der teuren Überwachungsinfrastruktur wenigstens zweitzuverwerten. Übrigens wäre es äußerst interessant, zu erfahren durch welche Mechanismen Erkenntnisse der Wirtschafsspionage an Politik, Branchenverbände und Unternehmen fließen: Geschieht dies durch informelle Mitarbeiter, Briefings oder nicht-öffentliche Tagungen?
    Die Terrorrhetorik [23] , die eine Existenz großer Terrornetzwerke beschwört, scheint vornehmlich ein Narrativ zu sein, mit dem nach innen und außen die enormen Kosten für die Sicherheitsstrukturen gerechtfertigt werden. Wofür braucht der Bundesnachrichtendienst BND neben Pullach den Monsterneubau in Berlin mit Büroflächen, die 35 Fußballfeldern entsprechen und 4.000 Arbeitsplätze beherberge [24] ?
    Internationales
    Ein weiteres Problem im Umgang mit den Überwachungsprogrammen: Vorangetrieben werden sie von den USA, im Bündnis oder in Kooperation mit Regierung oder zumindest den Geheimdiensten zahlreicher Staaten. Kritik an den USA wird schnell des »Anti-Amerikanismus« bezichtigt; zum Teil berechtigterweise, weil mit Vorurteilen und verquasteten Ideologieversatzstücken oder Antisemitismus hantiert wird. Andererseits ist der Vorwurf des »Anti-Amerikanismus« ein wohlfeiles Totschlagargument, das sich der kritischen Auseinandersetzung mit den nicht selten rücksichtslosen US-Interessen verweigert.
    Klar ist jedenfalls, dass es beim globalen Überwachungsprogramm nur mehr Kontrolle oder ihre Abschaltung nur zusammen mit den USA gibt. Dass die Militärdemokratie USA Überprüfungen – etwa durch UN-Strukturen – der Datenfarmen ihrer Geheimdienste zustimmen wird, ist wenig wahrscheinlich. Ganz abgesehen davon, dass die USA notorisch die Unterzeichnung oder gar Ratifizierung diverser internationaler Vereinbarungen verweigert. Was wird sich von Zusagen oder Versprechen von Geheimdienste bzw. ihren Regierungen halten lassen, sich an Regeln und Datenschutzvorgaben zu halten, ohne dass es ein internationales, unabhängiges Kontrollsystem gibt?
    Widerstand
    Wie könnte konkreter Widerstand gegen die Überwachung aussehen? Sitzblockaden vor Geheimdiensteinrichtungen werden nicht viel erreichen, weil sie die Arbeit dort nicht wirklich behindern. Entgegen der Anti-AKW-Bewegung, der es gelang, nicht nur den politischen Preis in die Höhe zu treiben. Sondern auch den tatsächlichen Preis für Atomkraft, zum Beispiel durch jahrzehntelangen Protest gegen die »Entsorgung« von Atommüll in Gorleben. Der Widerstand gegen Atomkraft war aus zwei Gründen erfolgreich: Niemand stellte in Frage, dass Atomkraft gefährlich ist. Hiroshima und Nagasaki, Tschernobyl und Fukushima waren unleugbar geschehen.
    Zum Zweiten hat sich der Widerstand gegen den Bau von Atomanlagen in Deutschland nie entlang der Militanzfrage spalten lassen. Diese Frage ist eine komplizierte; stellt sie doch das Gewaltmonopol des Staates in Frage und sorgt so gleichzeitig für einen medialen Aufmerksamkeitsschub. Der handfeste Charakter des Widerstandes, der von Autonomen und Bauern zusammen oder zumindest geduldet nebeneinander im Wendland praktisch wurde, machte einen bedeutenden Teil seiner Ausstrahlung aus. Der gemeinsame Konsens war: Gewalt gegen Sachen wurde als legitim erachtet.
    Die netzpolitische Bewegung hierzulande ist weit davon entfernt, überhaupt eine Militanzdebatte führen zu müssen. Nicht zuletzt, weil sie bei Weitem keine Bewegung ist: Sie wird weder von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen getragen, noch ist sie zahlenmäßig beeindruckend, noch hat sie bislang Ausdauer bei Protestformen gezeigt. Wenn überhaupt könnte man das Anonymous-Kollektiv und andere Hackerkreise als »militanten« Arm der »Bewegung« verstehen. Doch die scheinbare Stärke im Netz, Effekt der Selbstreferenz (»filter bubble«), hat mit der tatsächlichen gesellschaftlichen Relevanz wenig gemein. Das vorläufige Scheitern der hiesigen Piratenpartei – wenn man so will, der parlamentarische

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