Überwachtes Netz
Arm der Netzbewegung – bestätigt dies.
Ohne eine Rückkopplung in die physische Welt, in der Dinge nicht verlustfrei kopierbar sind, wird eine Netzbewegung kaum Wirkung entfalten können. Zudem ist neben dem eingangs erwähnten Vermittlungsproblem keine ausufernde, sondern nur eine punktuelle Repression zu beobachten. Die Bedrohungszenarien, die aufgrund der Internetüberwachung denkbar sind, betreffen bislang nur sehr wenige – für die meisten bleibt sie eine virtuelle Bedrohung.
Perspektiven
»Geheimdienste abschalten« und Vergesellschaftung der bisher gesammelten Daten [25] – dies könnten Forderungen einer Protestbewegung sein. Angesichts des internationalen Charakters des Internets müssten diese global sein. Die Chancen darauf stehen schlecht, weil es trotz der grenzübergreifenden Kommunikationsinfrastruktur Internet äußerst schwer ist, eine globale Protestbewegung zu bilden. Das Aufflammen und der Niedergang von »Occupy« hat das gezeigt. Es fehlt letztlich ein gemeinsames und konkretes Ziel sowie vor allem Ausdauer.
Überhaupt bräuchte es eine Verständigung darüber, wie die Internetüberwachung zu bewerten ist. Sie wird längst nicht von allen als Ausdruck eines politisch-wirtschaftlichen Systems, als Machtinstrument gesehen. Sondern nicht selten als isoliertes Datenschutz- und Bürgerrechtsproblem verstanden. Ein Sammelbecken, ein Diskursraum, um sich darüber auseinanderzusetzen und sich zu koordinieren, fehlt. Dabei gibt es Vorbilder für solche internationalen Strukturen: Z.B. die Weltsozialforen oder die intergalaktischen Treffen in den Neunzigern in Folge des Aufstandes der Zapatisten im mexikanischen Chiapas. Jedenfalls kann es nicht die alleinige Strategie sein, NGOs nach Brüssel, zum Weltwirtschaftsforum in Davos oder zu UN-Konferenzen zu schicken, damit sie dort an den Rockzipfeln der Mächtigen zupfen.
Insofern lässt sich leider nur ein ernüchterndes Fazit ziehen: Mehr als Verteidigung ist derzeit nicht drin. Sprich, sich auf das Wettrüsten gegen die Sicherheitsapparate einzulassen; also zu versuchen, sichere Kommunikations- und Infrastrukturen zu bewahren und auszubauen. Vielleicht gelingt es auf internationaler Ebene, die von den USA dominierte Kontrolle der Internetinfrastruktur zu mindern. Hoffnung auf Parteien oder gar die neue Bundesregierung braucht man wohl nicht zu setzen. Solange sich keine außerparlamentarische gesellschaftliche Kraft bildet, die viele überzeugt mit Ausdauer eine andere Gesellschaft anzustreben, werden wir weiter überwacht werden.
Minority Reports ‘Precrime’ ist das Ziel des
MI5 Director General Andrew Parker
Jan-Peter Kleinhans
Der gegenwärtige Director General des britischen Geheimdienstes MI5, Andrew Parker, hielt am 8.10.2013 die erste offizielle Rede in seiner Amtszeit [66] . Dabei hat er natürlich vor allem von den Gefahren gesprochen, die seine Institution versucht abzuwehren und wie viel Schaden Snowdens Veröffentlichungen angerichtet haben. Mittendrin findet man dann jedoch, was er sich eigentlich für den MI5 wünscht:
»In einem gewissen Sinne ist Terrorismusbekämpfung eine außergewöhnliche Angelegenheit. Lassen Sie mich sagen, was ich meine. Terrorismus ist, aufgrund seiner Natur und der Folgen, der einzige Bereich der Kriminalität, wo die Erwartung manchmal zu sein scheint, dass die Statistik Null sein sollte. Null. Stellen sie sich vor, das selbe Ziel würde auf Mord im Allgemeinen oder organisierten Drogenhandel angewendet werden. Das kennt man nur von ‘Precrime’ aus dem Tom Cruise Film ‘Minority Report’. Das Leben ist nicht wie im Film. In einer freien Gesellschaft ist Null, angesichts der anhaltenden und ernsthaften Bedrohungen, natürlich unmöglich zu erreichen – jedoch werden wir weiterhin danach streben.«
Was sagt Andrew Parker da eigentlich? Die Gesellschaft erwartet seiner Meinung nach, dass Terror-Anschläge immer verhindert werden – im Gegensatz zu Mord oder organisiertem Drogenhandel. Parker sagt nicht, dass etwas wie Precrime unmöglich wäre – ganz im Gegenteil. Er sagt, dass ein hundertprozentiges Vereiteln von Terror-Anschlägen in einer freien Gesellschaft, die ständig von außen und innen bedroht wird, unmöglich sei – dass MI5 sich aber bemüht, dieses Ziel der hundertprozentigen Sicherheit vor Terror-Anschlägen zu erreichen.
In Philip K. Dicks Kurzgeschichte Minority Report – welche die Grundlage des gleichnamigen Films ist – gab es in der Gesellschaft schon seit 5
Weitere Kostenlose Bücher