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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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vollständigen Einblick hat, hat sie auch vollständige Kontrolle über die Bevölkerung.
    Die Rhetorik, der sich Parker bedient, setzt zwar die Freiheit der Bürger der Sicherheit der Gesellschaft gegenüber. Darum geht es aber nicht. Es geht um Kontrolle. In welchem Ausmaß kann die Regierung die Bevölkerung kontrollieren?
    »Der MI5 wird weiterhin die Fähigkeit benötigen, die Kommunikation von Terroristen zu überwachen, wenn uns das ermöglicht, ihre Absichten zu kennen und sie zu stoppen. Das Gegenteil dazu wäre, zu akzeptieren, dass Terroristen Möglichkeiten zur Kommunikation haben, bei denen sie sicher sein können, dass sie außerhalb der Überwachungsmöglichkeiten des MI5 oder GCHQ liegen – basierend auf unseren gesetzmäßigen Befugnissen. Glaubt das tatsächlich irgendjemand?«
    Parkers Aussage kann man als offizielle Begründung lesen, warum Polizei und Staatsanwaltschaft in Großbritannien Passwörter zu verschlüsselten Datenträgern oder Accounts von Verdächtigten verlangen dürfen: Es darf keinen Kommunikationskanal geben, der nicht der staatlichen Überwachung unterliegt, denn dieser könnte durch Terroristen ausgenutzt werden. Parker gibt hier wieder ein Beispiel für die vorherrschende Überzeugung, dass nur durch vollständige Kontrolle aller Kommunikationswege Sicherheit erlangt werden kann. Ein weiterer rhetorischer Kniff kommt am Ende der Rede:
    »Abschließend möchte ich Sie an etwas erinnern, das allzu leicht vergessen wird. MI5 ist am Ende eine Organisation aus Mitgliedern der Öffentlichkeit aus allen Bereichen des Lebens, die es sehr wichtig nehmen in was für einer Art von Land wir leben. Das ist der Grund, weswegen sie dort arbeiten.«
    Parker bemüht hier aus gutem Grund das Bild, dass in den Geheimdiensten Bürger mit den besten Absichten und reinsten Motiven arbeiten, die im Dienste ihres Landes stehen. In den vergangenen Wochen haben die Schlagzeilen vor allem dafür gesorgt, dass Geheimdienste als »Eindringlinge« in die Privatsphäre der Bürger empfunden wurden. Daher der verständliche Versuch Parkers, Geheimdienste als Teil der Gesellschaft zu porträtieren. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die vollständige Abschottung der Geheimdienste und ihre Verschwiegenheit einheitliches Denken und sich selbst verstärkende Ideologien provoziert. Dies führte dazu, dass Whistleblower, wie Thomas Drake oder Edward Snowden, mit interner Beschwerde nicht weiterkamen, da sie »aus der Reihe tanzten« – und das mag man nicht. Andersdenken und Hinterfragen wird in solchen Institutionen systemisch verhindert.
    Letztlich bedient sich Andrew Parker in seiner Rede einer Vielzahl von Rhetoriken, die man zum Teil aus »War on Terror« [70] kennt: Das Bild der konstanten und unmittelbaren Gefahr durch Nicht-Bürger – Terroristen – wird verstärkt. Die Überwachungsinfrastruktur wird als einziges Mittel dargestellt, um diese Gefahren abzuwehren. Im Fokus steht Abwehr – nicht Überwachung. Und der direkte Zusammenhang zwischen »mehr Daten« bedeutet »mehr Sicherheit« wird betont. Andrew Parkers unterschwellige Botschaft: Sollte irgendetwas am Status Quo geändert werden, wird dadurch sofort die nationale Sicherheit gefährdet – daher werden Whistleblower und deren Veröffentlichungen als ernsthafte Gefahrenquelle für die gesamte Gesellschaft dargestellt. Was auch prompt durch einschlägige englische Tageszeitungen aufgegriffen wurde. So berichteten vor allem die britischen Tageszeitungen über die angeblichen Gefahren für die Gesellschaft, die Parker in seiner Rede immer wieder erwähnte: Edward Snowden habe den Terroristen ein Geschenk gemacht.
    Man sollte versuchen, nicht denselben Fehler wie Daily Mail, The Daily Telegraph oder The Times zu begehen. Googles Amit Singhal hatte in einem Interview [71] gegenüber dem Slate Magazine gesagt, dass Googles Ziel sei, Antworten zu liefern, bevor man fragt. Predictive Search.
    »Ich kann mir eine Welt vorstellen, in der ich gar nicht mehr suchen muss. Ich bin nur irgendwo draußen am Mittag und meine Suchmaschine empfiehlt mir sofort Restaurants in der Nähe, die mir gefallen werden, da ich scharfe Gerichte mag.«
    Im Falle von Google ist das Resultat mehr Komfort für den Benutzer. Dieselbe Idee haben natürlich auch die Geheimdienste – ansonsten würden nicht riesige Datenzentren gebaut werden oder intensive Kooperationen mit US-amerikanischen Hochschulen eingegangen werden. Keith Alexander, Direktor der NSA, hatte

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