Ufer des Verlangens (German Edition)
hier. Einen Glückspilz haben sie den genannt, der Euch eines Tages heimführt. Und einen Pechvogel, wenn er nicht Manns genug sein sollte, gegen Euch anzukommen.«
Zelda lachte laut auf, als sie sah, dass der Knecht errötete. Sie wusste genau, was in den umliegenden Gegenden über sie geredet wurde. Es gab so manchen, der sie gern auf seinem Gut gehabt hätte, doch Zelda hatte bisher alle Bewerber fortgeschickt.
Sie war nicht hochmütig, ganz gewiss nicht. Stolz war sie, und eben dieser Stolz war es, der ihr verbot, sich einem Mann zu überlassen, den sie nicht von ganzem Herzen liebte. Nun, so einen Mann schien es in den schottischen Highlands nicht zu geben. Zumindest war Zelda ihm noch nicht begegnet. Aber jetzt lagen die Dinge sowieso anders. Sie würde heiraten, obwohl sie Allistair Kingsley nicht liebte. Und sie bedauerte es nicht einmal, obwohl sie damit ihren Schwur verriet. Das Ende des Krieges, das Wohl ihres Vaters, ihrer Schwester und der Besitzungen hatten Vorrang vor ihren eigenen Bedürfnissen. War es nicht besser und wichtiger für alle, die hier lebten, dass Frieden einkehrte? Die Bauern würden aufhören zu hungern, die Felder in voller Frucht stehen, das Vieh mit glänzendem Fell und gut im Futter auf fetten Weiden grasen. Es würde Fisch in Hülle und Fülle geben, und niemand müsste sich mehr vor Überfällen fürchten. War das nicht viel? Viel mehr als andere mit einer Heirat bewirkten?
Und wer weiß, vielleicht lernte sie im Lauf der Zeit, ihren Mann zu lieben.
»Einen guten Ritt wünsche ich dir, Walther«, rief sie freundlich hinunter. »Und berichte mir gleich nach deiner Rückkehr, wie die Botschaft aufgenommen wurde.«
Sie trat vom Fenster zurück, drehte sich um und sagte, in Joans Richtung gewandt: »Walther bricht gerade zu den Kingsleys auf.« Sie meinte, Joan bei diesen Worten seufzen zu hören, doch die Schwester lächelte noch immer dieses merkwürdig starre Lächeln, sodass Zelda glaubte, sich getäuscht zu haben.
Sie ging einige Schritte ins Zimmer hinein und zog übermütig an Joans Bettdecke. »Komm, Joan, steh auf. Lass uns zum See reiten. Es ist kühl dort unter den Bäumen. Kühl und ruhig.«
Joan schüttelte den Kopf. »Ich möchte hier bleiben, Zelda. Hier, wo ich bin. In meinem Bett und bitte bei geschlossenen Fensterläden.«
»Aber warum nur?«, fragte Zelda erneut und warf hilflos die Hände in die Luft.
Joan sah sie an und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann drehte sie den Kopf auf die Seite und vergrub sich in den Kissen.
Mit hängenden Schultern stand Zelda vor ihrem Bett und wusste nicht, was sie tun sollte. Joans Verhalten war wirklich ungewöhnlich. Sie war einfach nicht dafür gemacht, an einem strahlenden Sonnentag im Bett zu liegen.
»Dann lass uns in den Garten gehen. Vielleicht sind schon ein paar Erdbeeren reif«, schlug sie mit leiser Stimme vor.
Joan bewegte sich nicht, strich nicht einmal ihr Haar zur Seite, das ihr wie ein Vorhang ins Gesicht hing.
»Zelda, bitte, lass mich einfach in Ruhe. Ich werde bald in einem Kloster leben. Gönne mir die letzten Tage hier. Lass sie mich so verbringen, wie ich es möchte.«
Zelda nickte verstehend. »Du nimmst schon Abschied, nicht wahr?«, fragte sie leise und traurig.
Joan seufzte, dann nickte sie. »Ja, Zelda. Und ich möchte es allein tun.«
Bedrückt verließ Zelda das Zimmer ihrer Schwester, lief die große Treppe in die Halle hinunter, ließ sich auf eine Bank sinken und dachte an Joan.
Ein Leben als Nonne war für sie, Zelda, unvorstellbar. Es würde ihr bestimmt nichts ausmachen, in Armut zu leben, doch die strengen Regeln in einem Kloster, die Vorbestimmtheit des Lebens vom kleinsten Schritt am Tage bis hin zum Leben als Ganzes würden sie ersticken. Sie war zu lebendig, zu eigenwillig und temperamentvoll, um an solch einem Dasein auch nur den geringsten Gefallen finden zu können.
Und Joan? Würde sie so leben können? Die Schwester war still und zurückhaltend, äußerte nie Wünsche, stellte niemals etwas infrage. Sie nahm das Dasein klaglos an, mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten. Ja, Zelda war sich sicher, dass Joan im Einklang mit Gott lebte. Sie war oft in der kleinen Kapelle, die dem Gut angehörte, und sorgte für frische Lichter und Blumen für den Altar. Stunden verbrachte sie in dem kleinen, weiß getünchten Gotteshaus im Zwiegespräch mit ihrem Herrn.
Zelda besuchte zwar auch die wöchentliche Messe, die der Priester des Dorfes in der Gutskapelle
Weitere Kostenlose Bücher