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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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Überall begegnet man uns mit Misstrauen. Wir würden lügen, betrügen und stehlen, heißt es über uns. Wir wären faul und unsere Männer so triebhaft, dass kein Weib vor ihnen sicher wäre.
    Aber das stimmt nicht. Wir sind nicht besser und nicht schlechter als alle anderen Menschen auch. Unter uns gibt es nicht mehr Betrüger als unter Euch, unsere Männer sind nicht triebhafter als Eure, wir sind nicht weniger fleißig als die Bauern und Schafzüchter Schottlands.Ja, wir glauben sogar an denselben Gott wie Ihr. Zigeuner sind Christen wie Ihr, haben die Bibel als Buch des Lebens anerkannt. Und doch sind wir nirgends wohlgelitten. Wir sind Fremde, wo immer wir auch hinkommen, und alles, was den Leuten fremd ist, was sie nicht von Kindesbeinen an kennen und gewohnt sind, das erschreckt sie und macht ihnen Angst. Deshalb mögen sie uns nicht, deshalb sind wir heimatlos, ein fahrendes Volk mit traurigen Liedern.«
    Zelda hatte aufmerksam zugehört und lauschte den wehmütigen Gesängen mit neuem Verständnis. Doch plötzlich änderte die Laute ihren Rhythmus, aus Moll wurde Dur, und eine junge Frau aus der Schauspielertruppe stand auf und begann zu tanzen.
    Ihr langes, seidig glänzendes Haar wehte wie ein schwarzer Schleier um ihren Kopf, als sie sich drehte. Jetzt raffte sie die Röcke bis zu den Knien, stampfte mit dem rechten Fuß kräftig auf den Boden und wiegte sich dabei in den Hüften. Nun begannen die anderen, in die Hände zu klatschen. Die junge Schönheit mit der olivbraunen Haut warf den Kopf nach hinten, sodass ihre großen Ohrringe schaukelten, und fing an, mit dem Becken zu kreisen. Dabei hob sie die Arme über den Kopf, passte ihre Bewegungen den Klängen der Laute an, drehte und schmiegte sich den Tönen entgegen und verschmolz mit ihnen. Ihr Leib wurde zum Lied, ihre Bewegungen zum Rhythmus. Immer schneller klatschten die anderen in die Hände, immer schneller bewegte sich die junge Frau, geriet beinahe in eine Art Raserei, bis die Laute plötzlich abbrach und die Tänzerin atemlos aus ihren Fängen ließ.
    Die Zigeuner klatschten und zollten der jungen Frau ihren Beifall. Zelda hatte dabeigesessen, hatte ebenfallsgeklatscht, doch das Lied hatte ihre Seele berührt. Ohne es zu wollen, wurde sie von einer plötzlichen Wehmut ergriffen. Sie dachte an Joan und an Ian, an die zauberhaften Stunden, die sie mit diesem Mann verbracht hatte. Ihr Herz wurde schwer.
    Doch schon wurde das Feuer gelöscht, die Zigeuner wickelten sich in Decken und suchten sich im Schutz der Bäume einen Schlafplatz. Zelda legte sich neben Elizabeth unter die schützende Krone eines Baumes. Der Boden war noch warm vom Tag und duftete. Sie war müde, doch der Schlaf wollte nicht kommen.
    Sie hörte die gleichmäßigen, tiefen Atemzüge Elizabeths neben sich. Ein Mann schnarchte ganz in ihrer Nähe, jemand anderes wälzte sich unruhig im Schlaf hin und her.
    Leise und ganz vorsichtig, um Elizabeth nicht zu wecken, stand Zelda auf und lief ein Stück von der Lichtung in den Wald hinein.
    Der Mond hatte sich hinter einer Wolke verkrochen, sodass Zelda nichts mehr erkennen konnte. Die Nacht, eben noch sternenklar und vom silbernen Mondschein erhellt, war mit einem Mal so schwarz, dass sie die Hand vor Augen nicht mehr erkennen konnte.
    Doch Zelda kannte keine Angst. Der Wald war von Kindesbeinen an ihr Zuhause gewesen, und selbst in rabenschwarzer Dunkelheit fühlte sie sich zwischen den hohen Bäumen sicher und geborgen.
    Ja, sie war sogar oft in der Nacht in den Garten der McLain-Manors gegangen, hatte sich dort auf eine kleine Bank gesetzt und nachgedacht. Die Gedanken schienen heller, wenn es draußen dunkel war, glaubte sie.
    Doch da erklang der Schrei eines Käuzchens: »Kuwitt, kuwitt.«
    Zelda schauderte. »Wenn ein Käuzchen schreit, stirbt ein Mensch«, flüsterte sie leise vor sich hin. Sie war nicht wirklich abergläubisch, doch der Schrei des Waldvogels klang so geheimnisvoll, so grausig, dass sie sich ein wenig schüttelte.
    »Sei still«, flüsterte sie, ohne Hoffnung, dass der Vogel sie verstand. »Sei still. Flieg woanders hin, und verkünde dort deine Botschaft.«
    Sie streckte die Hand aus und tastete sich so bis zum nächsten Baum. Sie fühlte den harten, knochigen Stamm unter ihren Fingern, glitt daran zu Boden und setzte sich so, dass sie mit dem Rücken am Baum lehnte.
    Plötzlich fuhr sie hoch. Ein leises, dunkles Lachen neben ihr hatte sie erschreckt.
    »Habt keine Angst«, hörte sie eine Stimme, in der

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