Ufer des Verlangens (German Edition)
schwarzen Augen, nahm eine große Glocke aus poliertem Messing, wohl das Kostbarste, was der kleine Trupp besaß, und rannte klingelnd und rufend durch die beiden Straßen, aus denen das Dorf bestand.
»Kommt heraus, Ihr Männer und Frauen, die Gaukler haben begonnen, die Bühne zu bauen. Gleich gibt es ein lustiges Spiel. Kommt heraus, amüsiert Euch und bezahlt dann recht viel.«
Es war, als hätten die Dorfbewohner nur auf ein solches Ereignis gewartet. In Gruppen strömten sie auf den Marktplatz: Bauern und Bäuerinnen, Knechte und Mägde, Krämersleute, ein paar einfache Weber und andere Handwerker. In dichten Trauben umringten sie die Planwagen und hielten Maulaffen feil, während die Gaukler noch damit beschäftigt waren, aus ein paar Brettern eine kleine Bühne zu zimmern.
Andere legten ihre Waren, geflochtene Weidenkörbe und Schalen, geschnitzte Löffel und buntes Garn vor sich auf einer Decke auf den Boden.
»Haltet Euch etwas abseits«, wies Esmeralda Zelda an. »Ich schicke Euch gleich die ersten Leute. Die Bauern haben nicht viel Abwechslung hier, und ich glaube, Ihr werdet reichlich zu tun haben.«
»He, Zigeunerin«, rief ein alter Mann und presste eine Hand auf seine dick geschwollene Wange. »Versteht Ihr Euch auf das Zähneziehen?«
»Ja«, erwiderte Esmeralda. »Wir haben einen Barbierdabei. Folgt mir, und Ihr werdet sogleich von Eurem Schmerz befreit.«
Ein junges Mädchen hielt Esmeralda am Arm fest: »Lest Ihr auch aus der Hand, gute Frau?«
Esmeralda wies auf Zelda. »Da, meine Schwester versteht sich auf diese Kunst. Geht zu ihr!«
Die junge Frau näherte sich zögernd der Decke, auf der Zelda Platz genommen hatte, ein buntes Tuch nach Zigeunermanier um den Kopf geschlungen.
Zelda lächelte ihr aufmunternd zu und betrachtete sie dabei ausgiebig.
»Kommt ruhig näher, ich beiße nicht«, sagte sie freundlich. »Was wollt Ihr wissen? Wollt Ihr in die Zukunft schauen? Wollt Ihr wissen, wie es in Liebesdingen um Euch steht? Oder begehrt es Euch nach Ruhm und Reichtum?«
Die junge Frau kniete sich auf die Decke und sah Zelda nur flüchtig an. Die Scham stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Ich möchte Euch nach den Liebesdingen fragen. Sagt mir, was dazu in meiner Hand steht.«
Zelda lächelte. Etwas Ähnliches hatte sie schon erwartet. Sie griff nach der Hand der jungen Frau, die sich vor Aufregung leicht verschwitzt anfühlte, und strich beruhigend darüber.
»Nun, die Liebe ist Euch begegnet, sagt mir Eure Hand. Doch seid Ihr Euch des Liebsten nicht sicher.«
»Das stimmt«, erwiderte die Frau erstaunt. »Könnt Ihr mir sagen, ob er meine Liebe erwidert?«
Zelda schüttelte lächelnd den Kopf. »Aber nein, das kann ich nicht. Dazu müsste ich in seiner Hand lesen. Nur Euer Schicksal kann ich erkennen, nicht das eines anderen.«
»Und was sagt mein Schicksal?« Die junge Frau seufzte, ihr Atem ging hastig, die Brust hob sich in raschen Zügen. Sie hatte den Mund vor Aufregung leicht geöffnet, ihre Unterlippe zitterte.
Zelda nickte und fuhr mit dem Finger über die Handlinien ihres Gegenübers.
»Ihr seid ein wenig schüchtern, sagt mir Eure Hand. Nun, Ihr müsst dem Burschen schon Eure Liebe zeigen, denn er weiß nicht, dass Ihr ihn begehrt. Lächelt ihn an, wenn Ihr ihn seht, streicht Euch über das Haar, richtet Euer Kleid. An diesen Zeichen wird er erkennen, dass Euch an ihm gelegen ist.«
»Steht denn in meiner Hand, ob er der Richtige ist?«, wollte die junge Frau wissen.
Zelda schüttelte den Kopf. »In Eurer Hand stehen keine Namen. Doch hier, dies ist die Liebeslinie. Seht Ihr sie? Ich kann erkennen, dass Ihr Euren Liebsten schon kennt. Ihr müsst ihm bereits begegnet sein. Bald werdet Ihr ein Paar werden.«
Dia Frau holte tief Luft und seufzte auf. »Seht Ihr auch Kinder in meiner Hand?«
Zelda betrachtete die vollen, runden Brüste, die sich unter dem engen Mieder abzeichneten, die kräftigen Hüften, die festen Schenkel der jungen Frau.
»Ihr seid wie geschaffen dafür, Kinder zu bekommen. Einen reichen Segen werdet Ihr erhalten.«
»Und werden wir die Kinder auch ernähren können?«, fragte die andere weiter. »Schaut nach, was dazu in meiner Hand geschrieben steht.«
Zelda betrachtete die Hände der jungen Frau. Die Fingernägel waren kurz und brüchig. Die Hände selbst waren rau und an manchen Stellen ein wenig entzündet. Es waren die Hände einer Wäscherin.
»Wenn Ihr fleißig arbeitet, so werdet Ihr immer satt zu essen haben«, erklärte Zelda und
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