Ufer des Verlangens (German Edition)
seine Sünden konnte.
»Der Teufel, der von Euch Besitz ergreift, steckt imAlekrug. Meidet dieses Getränk, hütet Euch auch vor starkem Met und vor allem vor dem Branntwein. Dann hat der Teufel keine Macht über Euch.«
Der Mann kratzte sich am Kinn.
»Kann schon ein einziger Becher Schaden bringen?«, fragte er, plötzlich kleinlaut geworden.
»Einen Mond lang solltet Ihr nur Wasser trinken, damit Eure Seele gereinigt wird. Danach kann ein Becher Ale nicht schaden. Aber nur, wenn es bei einem Becher bleibt und Ihr den Branntwein ganz meidet.«
»Hm«, knurrte der Mann. »Und wenn nicht? Was geschieht, wenn ich doch einmal mehr trinke? Ich bin Bauer, die Arbeit macht durstig. Den ganzen Tag die schwere Arbeit auf dem Feld und immer an der trockenen Luft … Versteht Ihr?«
Zelda lächelte. »Trinkt Wasser«, riet sie. »Und vergesst nicht: Mit jedem Becher Ale verfärbt sich Eure Seele. Ein einziger Schluck Branntwein reicht aus, um den Teufel in Euch zum Leben zu erwecken.«
Der Bauer nickte und schaute betreten zu Boden. Zelda wartete einen Augenblick, dann fügte sie hinzu: »Wenn es jemanden gibt, an dem Ihr Euch schuldig gemacht habt, so bittet ihn um Verzeihung. Dadurch könnt Ihr Eure Seele reinigen.«
Auf dem Gesicht des Bauern erschien ein kleines Lächeln. Er legte Zelda mehrere Kupfermünzen hin, mehr, als sie verlangt hatte, dann drehte er sich um und ging entschlossenen Schrittes davon.
An ihrem ersten Tag hatte Zelda insgesamt noch vier Besucher. Am späten Nachmittag, als die Vorstellung vorüber, die Schauspieler sich umgezogen und abgeschminkt, die Feuerschlucker sich den Ruß aus dem Gesicht gewaschen und die Krämer ihre Waren zusammengepackthatten, brachte Zelda Esmeralda ihre Einnahmen.
Die Zigeunerin war es zufrieden. »Elizabeth und Ihr seid wirklich ein Gewinn für unsere Truppe. Wollt Ihr nicht für immer bei uns bleiben?«
Zelda schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe bereits ein Leben, dessen Verpflichtungen auf mich warten. Wäre ich frei, so würde ich sicherlich gern eine Zeit lang bei Euch bleiben.«
»Kommt zu uns, wann immer Ihr wollt. Hier gibt es stets einen Platz für eine so geschickte Handleserin, wie Ihr es seid.«
Auch Elizabeth war zufrieden. Einer jungen Frau, die von einer Krankheit geschwächt war, hatte sie geraten, zur Stärkung jeden Tag einen Becher Rotwein zu trinken, in den ein Eigelb und Honig gequirlt waren. Einer anderen, die schon vierzehn Kinder hatte und keinen Wunsch nach weiteren Schwangerschaften verspürte, hatte sie geraten, ihren Mann davon zu überzeugen, künftig einen Schafsdarm zu benutzen, damit sein Samen sich nicht in ihren Schoß ergießen konnte.
Dann waren schließlich alle Planwagen gepackt, und die Kolonne fuhr bis zum Anbruch der Nacht, ehe sie sich einen Platz zum Schlafen unter freiem Himmel suchte.
Sie fanden einen guten Platz auf einer Lichtung. Die Wagen wurden im Kreis aufgestellt, dann gingen die Männer in den Wald, um Holz für das Feuer zu schlagen.
Esmeralda und eine andere Frau, die zu den Schauspielern gehörte, fertigten einen Teig aus Mehl, Wasser und ein wenig Fett, die Kinder tollten auf der Lichtung herum, eine andere Frau holte Schüsseln und legte eine Feuerstelle inmitten der Lichtung an.
Wenig später saßen alle einschließlich Zelda und Elizabeth um das flackernde Feuer und hielten Äste, um deren Ende der Teig gewickelt war, in die Glut.
Ein junger Mann saß Zelda gegenüber. Immer wieder begegnete sie seinem Blick aus unergründlichen schwarzen Augen, die in der Nacht wie Kohlestücke glühten. Der Blick des Mannes war fordernd. Er hatte ein schmales, fein geschnittenes Gesicht, eine wohlgeformte Nase, doch der Mund und die weißen, blitzenden Zähne hatten etwas Gieriges. Zelda hatte den Eindruck, dass er imstande wäre, damit ganze Fleischbatzen aus einem Stück zu reißen. Der Mann machte ihr ein wenig Angst. Sie fühlte sich unbehaglich unter seinem Blick, mit dem er sie schier auszuziehen schien. Zelda dachte an Ian, dachte daran, dass sein Blick wie ein sanftes Streicheln über ihren Körper gefahren war.
Nach dem Essen holte einer die Laute hervor und schlug sie mit großem Geschick, während die anderen schwermütige Lieder dazu sangen.
Esmeralda, die neben Zelda saß, erklärte: »Ihr müsst wissen, wir sind ein melancholisches Volk. Die Zigeuner wurden vor vielen hundert Jahren aus ihrer Heimat Indien vertrieben. Seither irren wir durch die Welt und finden doch nirgendwo ein Zuhause.
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