Uferwald
war er so, früher war ich die Einzige gewesen, die ihn aus dieser Stimmung hat herausholen können.«
Kuttler vermied es, Harald Treutlein anzusehen. »Aber dieses Mal haben Sie es nicht geschafft?«
»Nein.«
»Und dann sind Sie wirklich gegangen?«
»Ja, ich bin gegangen, und gehen würde ich eigentlich jetzt auch ganz gerne.« Fast bittend sah sie zu ihrem Mann.
»Warten Sie noch einen Augenblick«, sagte Kuttler. »Sie sind mit Ihrem Renault heimgefahren?«
Sie schwieg einen Augenblick. »Warum fragen Sie das? Ja, mit meinem Renault.«
Unerwartet stand Luzie Haltermann auf und trat Isolde gegenüber. »Irgendwie ist das komisch. Ich hab deinen Renault damals nicht gesehen. Das weiß ich noch, weil ich zuerst gedacht habe, du kommst später oder gar nicht. Und wie du dann schon da warst, am Tisch im GlucksKasten, da habe ich gedacht, okay, sie ist mit jemand anderem gekommen.« Luzie machte eine Pause. »Oder mit einem anderen Wagen.«
»Hoppla!«, entfuhr es Czybilla. Er winkte der Bedienung. »Noch einen Weißen.«
Isolde sah Luzie an. »Was willst du damit sagen?«
»Nichts«, antwortete Luzie. »Dass ich dachte, du seist in einem anderen Wagen gekommen. Sagte ich doch.«
Isolde stand noch immer. Harald Treutlein sah zu seiner Frau hoch, erhob sich und legte beruhigend seine Hand auf ihren Arm. Sie schüttelte die Hand ab.
»Sag mal, Luzie«, sagte Treutlein plötzlich und wandte sich ihr zu, »wir sind ja wegen dir hierher gekommen. Weil wir irgendetwas herausfinden sollen, warum es dieser andere Typ nicht gewesen sein kann. Du hast uns förmlich angebettelt. Warum sagst du eigentlich nicht, dass überhaupt du die Letzte gewesen bist, die mit Til gesprochen hat?«
»Das fällt dir jetzt plötzlich wieder ein?«
»Du bist noch eine Weile allein dagesessen«, fuhr Treutlein fort. »Wir waren zu dritt am Tisch, der Bilch, du und ich, jeder saß für sich, und geredet haben wir nichts, nur der Bilch hat krakeelt, aber dann bist du aufgestanden und zu Til gegangen, nicht für lange, und ich weiß auch nicht, was ihr gesprochen habt, aber ich sehe noch, wie du zu Til marschierst, mit deinem Gang, den nie etwas aufhalten kann.«
Kuttler sah Luzie an. Dann wies er mit dem Kopf zur Theke und ging voran. Inzwischen hatten sich weitere Gäste im Eastside eingefunden, auch an der Bar. Kuttler stellte sich an das äußerste Ende der Theke. Zögernd folgte Luzie.
Kuttler trank aus und bestellte sich noch ein Weizen. Die Treutleins hatten sich wieder gesetzt und unterhielten sich halblaut. Sah ihnen Czybilla zu, amüsiert oder spöttisch? Von der Bar aus konnte es Kuttler nicht erkennen, er sah nur einen dicken Mann, dessen blaurot fleckiges Gesicht durch eine Sonnenbrille ein wenig verdeckt war und der mit der linken Hand auf einem imaginären Flügel den Jazzpianisten begleitete, von dem der Kneipier eine neue Platte aufgelegt hatte.
»Also?«
»Was also?«
»Hören Sie«, sagte Kuttler ruhig, »das ist Ihre Inszenierung. Sie waren einverstanden, dass das alles nachgespielt wird. Was also haben Sie zu Tilman gesagt?«
»So genau weiß ich das auch nicht mehr«, antwortete Luzie. »Doch«, sagte Kuttler.
»Dass er dieses blöde Spiel nicht so ernst nehmen soll. Dass ich mit ihm befreundet bleiben will.«
»Unsinn.«
»Was sonst soll ich ihm gesagt haben?«
»Er war zum Telefon gegangen«, antwortete Kuttler, »er kam zurück und blieb hier, an der Theke, stehen. Er fuhr noch nicht nach Thalfingen. Warum erst später?«
»Sie haben Recht.« Plötzlich schien sie etwas von ihrer Sicherheit zurückzugewinnen. »Das ist komisch. Müsste die Polizei so etwas nicht wissen, bevor sie jemanden einsperrt?«
»Aber dann kamen Sie«, fuhr Kuttler fort, »und sprachen mit ihm. Erst danach ging er und nahm sein Fahrrad. Was haben Sie ihm gesagt?«
Luzie Haltermann schwieg. Plötzlich winkte sie dem Wirt, wartete, bis er kam, und bat um einen Gin tonic. »Woher weiß ich, dass Sie mir meine Antwort auch glauben?«
Kuttler schüttelte den Kopf. »Die Frage verstehe ich nicht. Warum sollte ich Ihnen nicht glauben?«
»Glauben Sie mir denn – um nur ein Beispiel zu nennen –, dass ich Sascha erst vor wenigen Tagen kennen gelernt habe?« Der Wirt brachte Kuttlers Weizen und den Gin, und sie nahm einen vorsichtigen Schluck.
»Das will ich Ihnen gerne glauben«, antwortete Kuttler. »Aber...« Aus den Augenwinkeln sah er, dass die Treutleins aufgestanden waren und gehen wollten. Er trat rasch auf sie zu.
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