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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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das Bett.
    »Unschuldig in dem Geschäft?« Das konnte ich mir nur schwer vorstellen.
    Er schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab. »Nicht beim Sex. Aber er war offen und herzlich, auch Kollegen gegenüber. Du hast ja eben selbst erlebt, wie abgebrüht und eiskalt die zum Teil sind. Die Gier nach Geld hatte ihn noch nicht komplett verdorben.«
    »Ihr wart eng befreundet?«, erkundigte ich mich.
    Er wich meinem Blick aus.
    »Er war dein Geliebter?«
    Luiz schien nach Worten zu suchen. »Wir haben uns umeinander gekümmert. Man ist sehr allein in diesem Business, weil man dauernd unterwegs ist und so oft Zuneigung und Hingabe vortäuschen muss, dass viele zwischen Arbeit und eigenem Leben nicht mehr unterscheiden können. Das sind dann die Stricher, bei denen jedes Lächeln falsch wirkt. Doch wir alle brauchen hin und wieder Zärtlichkeit. Jemanden, der einen festhält, wenn man nicht mehr kann. Said war für mich dieser Jemand, auch wenn wir beide ahnten, dass es auf Dauer nicht halten würde. Beziehungen sind schwierig, wir sind menschliches Treibgut, zu echten Gefühlen kaum mehr fähig.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, und sah mich in dem beengenden Raum um. Außer der Schale mit den Kondomen deutete nichts auf seinen Bewohner hin, da war kein persönliches Accessoire zu entdecken, ein Buch, ein Fotorahmen oder eine benutzte Tasse in der Spüle zum Beispiel. Das Zimmer wirkte steril wie in einem Hotel.
    »Aber ihr verdient nicht schlecht?«
    »Du lebst schon lange hier, nicht?« Verächtlich stieß Luiz die Luft aus und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Eine schweizerischere Frage hätte ich ihm wirklich nicht stellen können. Ich spürte das Blut in meinen glühenden Ohren pulsieren.
    »So lange wir jung sind, verdienen wir gut. Sehr gut sogar.« Mit einer wegwerfenden Handbewegung deutete er auf die Mansarde. »Für das Geld, das wir dafür zahlen, würde man eine geräumige Dreizimmerwohnung in bester Lage kriegen. Sogar in Zürich. Aber wir bleiben ja meist nur drei Monate und ziehen dann weiter, deswegen bleibt uns nichts anderes übrig, als diese teuren Löcher zu nehmen. In den Hotels sind wir nicht willkommen.«
    »Drei Monate?« Fragend hob ich die Augenbrauen.
    »Die Touristenvisa sind nur so lange gültig. Danach müssen wir ausreisen. Nach Frankfurt, Köln, Paris, Barcelona. Wo man halt als Stricher Geld verdienen kann. Nach ein paar Wochen oder Monaten kehren wir hierher zurück und alles beginnt von vorn. Eine endlose Tournee, von Station zu Station, von einer Stadt zur nächsten. Bis wir zu alt sind«, fügte er an.
    Endlich hatte ich eine Erklärung für seine perfekten Deutschkenntnisse gefunden. Es war anzunehmen, dass Luiz schon lange durch Europa reiste. Ich schätzte ihn auf fünfundzwanzig, doch die Schatten unter den Augen und der harte Zug um seine Mundwinkel ließen ihn älter wirken.
    »Und dann?« Bis anhin hatte ich mich nicht sonderlich für das Schicksal von männlichen Prostituierten interessiert, doch Luiz’ Ausführungen führten mich vielleicht nicht nur auf die Spur von Saids Mörder – sie berührten mich wirklich.
    »Die meisten hoffen, dass sie irgendwo unterkommen. Einen Liebhaber finden, jemanden, der sie aushält. Andere haben Pech, sie werden krank und sterben früh, weil sie sich für ein paar Franken mehr auf ungeschützten Verkehr eingelassen haben.«
    »Und du?«
    »Ich schicke meiner Familie jeden Monat Geld, das machen viele. Meine Eltern glauben, ich arbeite bei einer Versicherung in der Schweiz, deswegen müsste ich viel reisen und käme so selten nach Hause. Ich vermute, sie ahnen längst, dass das nicht stimmen kann, doch sie halten sich lieber an die Lüge, als sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen. Wie so viele Menschen.«
    »Was willst du später machen?«
    Luiz lächelte zum ersten Mal, unsicher, beinahe schüchtern. »Eine kleine Bar am Strand von Ipanema, das wäre mein Traum.«
    »Erzähl mir mehr von Said.«
    Luiz’ Lächeln erstarb. »Wir haben uns erst kürzlich kennengelernt, verstanden uns aber gut und kamen uns schnell nah. Wie gesagt, er war neu im Geschäft.«
    »Woher kam er?«
    »Aus Marokko, hat er erzählt.«
    Aus dem arabischen Raum, wie ich vermutet hatte. »Hat er auch erwähnt, was ihn hierher brachte?«
    Luiz trat ans Fenster und blickte hinaus. »Die Aussicht auf schnelles Geld, was sonst? Aber wir haben uns nie darüber unterhalten. Man spricht in unseren Kreisen nicht gern über

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