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Uferwechsel

Uferwechsel

Titel: Uferwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Mann
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die Vergangenheit, die Familie. Alles muss oberflächlich und unverbindlich bleiben, weil man sich ohnehin bald wieder trennt.«
    »Hatte Said Stammkunden?«
    »Er hatte zwei Typen, die er öfter traf, ich habe sie nie gesehen.«
    Suchend blickte ich mich um. »Hat er sein Mobiltelefon hiergelassen? Bei ihm wurde es nicht gefunden.«
    »In diesem Job lernst du als Erstes, dass du jederzeit erreichbar sein musst. Said hatte das Handy immer dabei, wenn er rausging, immer.«
    In dem Fall hatte ihm sein Mörder das Telefon weggenommen – wie auch sämtliche Ausweise und das Geld –, um eine Identifizierung zu erschweren.
    »Hat er keine Winterjacke besessen?«
    »Doch, natürlich.« Luiz deutete auf einen leeren Haken an der Rückseite der Eingangstür. »Wieso?«
    »Er hat sie nicht getragen, als er gefunden wurde.«
    Er runzelte die Stirn. »Merkwürdig. Said fror schnell, er hatte sich an die Temperaturen noch nicht gewöhnt. Er ging garantiert nicht ohne Jacke aus dem Haus, nicht bei dieser Kälte.«
    »Kannst du die Jacke beschreiben?«
    Luiz’ Antwort kam postwendend: »Sie war bunt gestreift, hatte eine Kapuze und war gestrickt.«
    Mittlerweile war es spät geworden und was mir sehr fehlte, war ein zünftiger Schluck Amrut . Und eine Hose, die passte.
    »Wo hat er die Typen getroffen?«, erkundigte ich mich unbeirrt von meinen Bedürfnissen.
    »Im Hotel, manchmal bei den Kunden zu Hause, nur äußerst selten hier.«
    »Und wie wurde der Kontakt hergestellt?«
    »In der Bar, bei wiederholten Treffen per Telefon, man findet uns aber auch im Internet.« Luiz deutete auf ein Laptop, das in der Kochnische am Boden lag. Das grüne Licht am Kabelanschluss meldete, dass der Akku vollständig aufgeladen war. Ich kniete mich hin, klappte den Rechner auf und nach einem Tastendruck erhellte sich der Bildschirm.
    »Hier.« Luiz, der sich neben mich gekauert hatte, startete das Internet und tippte eine Adresse ein, worauf sich eine ganz in Blau gehaltene Seite öffnete. »So verabreden wir uns mit unseren Kunden.«
    Erleichtert nahm ich zur Kenntnis, dass Said Benutzernamen und Passwort für die Datingseite im Schlüsselbund des Computers abgespeichert hatte und ich mich problemlos unter seinem Namen einloggen konnte.
    Rasch überflog ich das Menü, um herauszufinden, wie die Kommunikation funktionierte. Es war einfach. Nicht nur wurden alle Benutzer, die gerade online waren, mit fingernagelgroßen Bildchen angezeigt, auch erhaltene und versandte Nachrichten wurden gespeichert. Said hatte demzufolge am letzten Sonntag siebzehn Minuten nach zehn Uhr abends seine letzte Nachricht abgeschickt. Sie lautete ganz simpel: Okay.
    »Da brauche ich etwas länger«, sagte ich an Luiz gewandt. »Ich muss unbedingt seine letzten Chats durchgehen, vielleicht finde ich da einen Hinweis auf seinen Mörder.«
    »Oh, ist schon klar.« Zögernd erhob er sich und blieb neben mir stehen, bis ich zu ihm hochblickte. »Er hat das nicht verdient. Derjenige, der ihm das angetan hat, muss bestraft werden!« Sein Kehlkopf zuckte heftig.
    »Ich tue mein Bestes«, versicherte ich ihm.
    »Gut«, sagte er nur und drückte mir beim Hinausgehen die Schulter. »Ich muss dringend was essen. Ich bin nebenan, wenn du was wissen musst.« Als er die Tür erreicht hatte, drehte er sich nochmals um. »Oder wenn du Hunger hast.«
    Ich lehnte dankend ab, worauf er die Tür leise hinter sich schloss. Ächzend erhob ich mich und nahm – das Laptop auf dem Schoß – auf Saids Bett Platz.
    Schnell hatte ich herausgefunden, dass Stricher auf der Datingseite mit einem goldenen Dollarzeichen im Profil angezeigt wurden, alle anderen User schienen Männer zu sein, die auf der Suche nach Sex waren. Mit anderen Männern.
    Nachdem ich mir einige neununddreißigjährige ›Skaterboys‹ angeguckt hatte, deren Fotos weder mit dem angege benen Alter noch mit der Bezeichnung ›Boy‹ übereinstimmten, bestaunte ich rund ein Dutzend scheußlicher Wohnungseinrichtungen und Betten mit grauslichen Bezügen, auf denen sich spärlich beziehungsweise nicht bekleidete Herren in Posen räkelten, die von lasziv bis vulgär reichten. Manche sahen hingegen aus wie David Beckham, Robbie Williams oder irgendwelche Pornostars und glaubten wohl, den Schwindel bemerke niemand. Aus purer Neugier klickte ich auch einige dieser auffallend häufig vorkommenden, beinahe identischen Profile an, die mit einem muskelbepackten und meist unbehaarten Torso lockten. Fotos ihrer Gesichter einzustellen,

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