Uhrwerk Venedig (German Edition)
Nutzen war einzigartig. »TRABTSZA« – Treffen mit dem Abt von San Zaccaria, stand da für heute Abend um 8 Uhr. Er konnte nur hoffen, er würde es schaffen.
Tatsächlich wurde der Weg wieder besser und sie trafen noch vor Sonnenuntergang ein. Leonardo stutzte etwas, als er in einigem Abstand zum Kai eine prachtvoll ausgestattete Karacke mit den Insignien des Königreichs Mailand sah.
Kaum war er seinem Waggon entstiegen, kam schon ein Offizier auf ihn zugesprungen und begrüßte ihn mit einer tiefen Verbeugung. »Signore Leonardo, seid gegrüßt. Gestatten: Graf Monaci, zu Euren Diensten. Ich habe den Auftrag, Euch sicher überzusetzen. Bitte lasst Eure Diener Euer Gepäck zu unserem Ruderboot bringen.« Er zeigte auf ein großes flaches Boot mit zwölf Ruderern.
»Ich habe den Befehl, Euch in allen Dingen zu unterstützen!« Monaci schaute Leonardo mit stechendem Blick an. Leonardo atmete tief aus. Vor ihm tauchte im trüben Licht des Sonnenuntergangs die Silhouette Venedigs auf. Ihm war gesagt worden, das sei einer der schönsten Anblicke der Welt und danach könne man getrost sterben. Er zuckte kurz mit den Schultern; war mal wieder völlig übertrieben. Wahre Schönheit fand man in der Natur im Bau des menschlichen Körpers und in den geheimen Zusammenhängen der Welt, nicht in Steinen, die Menschen aufeinandergesetzt hatten. Aber, das musste er zugeben, doch recht hübsch.
In der Lagune verteilt sah man überall Windmühlen, deren Räder sich mit weithin hörbarem Knarren im Wind drehten. »Wir haben hier kaum Tiere«, meinte Graf Monaci, »daher müssen wir unsere Spannmechaniken durch Windkraft aufziehen.« »Ventus semper perstrepunt ...«, sagte Leonardo in der Hoffnung, Monaci mit seinem Latein zu beindrucken. Doch der zuckte nur mit den Achseln und hielt seine Nase in den Wind.
Etwas unerwartet wendete sich das Boot nach Süden und zog, angetrieben von den keuchenden Soldaten, einen Bogen, um von der Seeseite in den Canale Grande einzutauchen.
Leonardo beugte sich etwas zur Seite, um einen besseren Blick an dem Grafen vorbei auf Kanal zu haben. Der Anblick war verwirrend; Holzgerüste in der Vertikalen und Horizontalen. Leonardo fühlte sich, als würde er durch ein riesiges Baugerüst geschoben. Brücken wurde gebaut und an beiden Seiten des Kanals wetteiferten Handwerker und mechanische Baumaschinen darum, wer schneller und höher sei beim Mauern, Verlegen von Dachsparren, Verzieren von Fassaden.
Leonardos linke Hand zuckte, als wolle sie automatisch mit einem Kohlestift dieses Wirrwarr aus Linien und Flächen, räumlicher Tiefe und Licht entschlüsseln. Monaci schaute ihn an und meinte: »Ja, Bauwut ist ausgebrochen. Die Stadt braucht Brücken für ihre Waren und die Reichen brauchen Paläste, um ihren Reichtum zu beweisen.«
»Und eure Familie?« fragte Leonardo.
»Die ist verarmt. Wir stammen aus dem Süden und sind nur mit dem Titel und ein paar Setzlingen für Weinreben hier angekommen. Ich hoffe, mein Vater hat Glück mit seinem Vorhaben, aus den Reben einen Wein zu machen, der dem Dogen behagt.«
Irritiert schaute Leonardo nach oben, als sie gerade die Brücke am Rialto unterquerten. Für Wein interessierte er sich nur im Zusammenhang mit den Farben aus den roten Trauben und gelb-roten Blättern im Herbst. Er plante ein Gemälde, das er nur aus Farben von Pflanzen malen wollte. Er wartete nur auf einen passenden Auftrag.
»Hier, schaut!« rief Monaci. »Hier war die Werkstatt von Verrocchio. Habt ihr bei diesem nicht gelernt in seiner Florentiner Zeit?«. Leonardo schaute betreten. Daran erinnert er sich nicht gerne. Wie Andrea del Verrocchio ihn ausgenutzt hatte. Leonardos Kunst als seine verkauft und ihm nur ein paar karge Kupfermünzen anstelle der Goldflorin gelassen hatte. Nun ja, das war vergangen. Geld und Gold waren nun nicht mehr sein Problem.
Sie näherten sich dem Anleger am Markusplatz. Unwillkürlich beeindruckt schaute Leonardo auf das Ensemble aus Dom und Dogenpalast. Eine solche Großzügigkeit im Raum hatte er angesichts des schwierigen Baugrunds nicht erwartet.
Monaci rief etwas den Soldaten zu, die an der Anlegestelle warteten. Diese sprangen, griffen das Seil, legten es um hölzerne Poller und schoben eine mechanische Schwebetreppe vor. Sie packten die seitlichen, großen Holzknebel. Knirschend und surrend schob sich eine Plattform aus Holz und Messing bis auf das Boot. Leonardo nickte anerkennend. Sie hatten seine Grundkonstruktion für bewegliche Brücken
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