Uhrwerk Venedig (German Edition)
alle Spuren des Zwischenfalles zu beseitigen. Das erwachende Venedig würde am nächsten Morgen nichts von den beiden Osmanen in seinen Eingeweiden erfahren.
***
»Also wird der Mord an Cresio wohl auf ewig ungeklärt bleiben«, knurrte Don missmutig in seinen Becher Wein, als sie später am Abend wieder in Ihrem Palazzo vor dem Kamin saßen.
Er hatte sich eine Decke umgeworfen und saß ein wenig abseits, da er trotz zweier Bäder noch immer durchdringend nach Hafenwasser stank.
»Ich glaube, nicht ganz.« Capitano Hawthorne schenkte sich einen Fingerbreit Brandwein ein. Das war er sich (und dem verstorbenen Vigile) heute schuldig.
»Bitte? Wissen wir etwa, wer ihn getötet hat?« brummte Mordechai, »Also wer dahinter steckt? Oder meint Ihr, dass es tatsächlich di Paolo war?«
»Nein. Wir wissen vielleicht noch nicht Wer, aber zumindest wissen wir, wer nicht. Und wir wissen, warum.«
»Könntet Ihr dann so freundlich sein und uns an Eurer Weisheit teilhaben lassen, Bartholomeo?«
Olivieros Gereiztheit entsprach so ziemlich der Stimmung aller anderen Männer im Raum.
»Nun«, Hawthorne nippte an seinem Glas, »Erstens: Weder Domenico noch di Paolo stecken hinter dem Mord. Keiner von beiden hätte Cresciczo töten müssen, um das Paket zu bekommen. Denn offensichtlich hat er für beide gearbeitet. Oder genauer, er hat seine Position als Domenicos Laufbursche genutzt, um für seine Eminenz und die Inquisition zu arbeiten. Sein letztes Wort war demnach nicht ‘Be’!’, also »Gut!« gewesen, sondern sehr wahrscheinlich ‘Be...’ wie Benedetto di Paolo gewesen. Er hat euch beiden, Don und Mordechai, mitteilen wollen, dass er für die Inquisition seiner Heiligkeit, also eben unter di Paolo, arbeitet. Und dass es bei fraglichem Auftrag um eine Geheimdienstoperation geht, die mit der Buffone zu tun hatte.«
Der Capitano starrte einen Moment in die Flammen des Kaminfeuers.
»Und zweitens?« drängte Dottore Corradini.
»Damit kommen wir zum Warum: Euer Boot, Oliviero, die Buffone, transportierte etwas. Diesen Kasten. Und zwar für die Heilige Inquisition.«
»Eine osmanische Mechanik? Auf einem byzantinischen Schiff nach Venedig gebracht? Für die Inquisition?«
»Exakt. Illegal und vermutlich in irgendeiner Weise gefährlich, wenn sie ihn auf diese Weise in die Republik bringen. So brisant, dass eine zweite Gruppe hier in Venedig verhindern wollte, dass di Paolo diesen Gegenstand erhält. Mehr noch: Diese Gruppe wollte den Kasten für sich. Sie kannte offensichtlich Cresciczo Status als Verbindungsmann und beobachtete ihn. Und als er euch, von einem unguten Gefühl gedrängt, einen Hinweis geben wollte, sorgte diese Partei dafür, dass er nichts mehr verraten konnte.«
»Die Osmanen«, brummte Colosso.
»Die falschen Osmanen«, korrigierte Hawthorne. Die anderen Männer sahen auf. »Falsch?«
»Ich weiß, wie ein Assassini aussieht – und das waren keine. Außerdem glaube ich kaum, dass echte Osmanen mit okzitanischem Akzent sprechen würden. Außerdem war nicht nur die Verkleidung, sondern auch die Wahl der Waffen zu auffällig. Ein byzantinischer Meuchelmörder mit einer byzantinischen Waffe, der die Propheten anruft? Himmel, der andere hat sogar einen Krummdolch verwendet! Ein wenig arg auffällig, meint ihr nicht? Dazu kommt, dass Sultan Bayezit derzeit wirklich andere Sorgen hat, als sich mit Venedig anzulegen.«
»Aber das byzantinische Schiff...«, warf Oliviero ein.
Hawthorne hob eine Hand. »Ich habe nicht gesagt, dass das Paket nicht aus Konstantinopel kommt. Das halte ich sogar für wahrscheinlich. Bayezit hat die besten Mechaniker des osmanischen Reiches an seinem Hof versammelt. Und er hat gerade alle Hände voll zu tun, um seinen Feldzug gegen das Fürstentum Moldau zu gewinnen. Ich denke, ein wenig Geld durch den Handel mit den Geheimnissen der Mechanik kommt ihm da gerade recht. Und selbst wenn er nicht direkt damit in Verbindung steht, so dürfte es genügend Mechaniker in Konstantinopel geben, die Venezianische Dukaten nicht verschmähen, selbst wenn sie aus den Händen der Inquisition kommen.«
»Du meinst, das Paket war tatsächlich für di Paolo bestimmt?«
»Warum nicht? Die Heilige Inquisition hat schon immer die Ansicht vertreten, dass Teufelswerk nicht in die Hände der ehrlichen Christenmenschen gehört, aber nichts dagegen spricht es für das größere Wohl selbst zu verwenden. ‚Eine derartige Waffe sollte man nicht leichtfertig ablehnen.’ – Seine Worte. Also: Ja,
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