Uhrwerk Venedig (German Edition)
Meisterschüler des Uhrmachermeisters, damit er mir einige spezielle Zahnräder und Uhrwerke erstellt, um die Machina feiner einstellen zu können.«
Leonardo nickte gedankenverloren.
»Ja, Philip ist ein Künstler der Mechaniken. Für einen tumben Franzosen ist er wahrhaft talentiert. Seine Werke sind so filigran wie die Flügel einer Libelle, dabei aber recht erschwinglich in ihrer Anschaffung. Ich werde dir Geld und ein Schreiben geben. Aber ich will alsbald Erfolge sehen!«
Giacomo entspannte sich unter der Hand Leonardos.
»Ja, Meister. Ich werde euch nicht enttäuschen.«
»Wohlan denn. Frisch ans Werk, mein Schüler. Ich treffe mich heute Abend mit meinem Freund Luca. Wir müssen da ein mathematisches Problem der doppelten Buchführung lösen, auf das er gestoßen ist.« Leonardo wandte sich seufzend ab. »Ach je, welche Qual das Genie eines Mannes manchmal sein kann. Hier ein Bild, dort eine Statue, da ein mathematisches Problem …«
Vor sich hin murmelnd ließ er Giacomo stehen.
2
Das Funkeln in den Augen des Giacomo Fontanelli, das Leonardo in seiner selbstverliebten Zerstreutheit nicht bemerkt hatte, waren heiße Tränen der Verbitterung, aus einem ätzenden Gemisch von Wut und Enttäuschung geboren. Giacomo holte tief und zitternd Luft, während der große Gelehrte im Inneren des Hauses verschwand.
Des großen Meisters Pläne gestohlen? Leonard da Vinci, das technische Genie, der Künstler des feinen Pinselstrichs, der große Denker, und eigene Pläne entwerfen? Die Pläne für die Machina zur Beobachtung des Mondes und der Sterne waren einzig und allein Giacomos Werk, geboren aus einem Ausruf seines Meisters, dass er es einfach nicht schaffen würde, das Licht des Mondes und der Sterne einzufangen, um sie zu studieren. Es war seine Erfindung, ein Werk des Meisterschülers des großen Gelehrten.
Ein bitteres Schnaufen drang aus Giacomos Mund.
Die Flugmaschine, deren Pläne Leonardo soviel Ruhm eingebracht hatten, war in Wahrheit Anselmos Idee gewesen. Eine Idee, die den armen Jungen beinahe das Leben gekostet hätte, weil der große Gelehrte, anstatt die Pläne neu zu berechnen und auf Fehler in der Konstruktion hin zu überprüfen, auf den umgehenden Bau der Maschine bestanden hatte. Leonardo hatte auf einen Test gepocht, um aus dem Ergebnis seine Schlüsse ziehen zu können. Anselmo, der Gutmütige, hatte seinem Meister gehorcht und anschließend mehrere Wochen das Krankenlager hüten müssen.
Ein Anzug, mit dem ein Mann unter Wasser atmen könnte? Ja, das war tatsächlich des Meisters eigene Idee gewesen. Aber sie hatte Anselmo letztendlich in den Wahnsinn getrieben, nachdem er auch diese Erfindung auf Geheiß Leonardos ausprobiert hatte, bevor die Pläne ausgereift waren. Anselmo hatte eine unbekannte Zeitspanne ohne Luft unter Wasser gelegen, bevor der große Meister der Zerstreutheit sein Fehlen bemerkt hatte. Jetzt lag Anselmo nur noch sabbernd auf dem Krankenlager, hilfloser als ein Neugeborenes. Und all die anderen Bilder, Berechnungen und Skizzen, die den Ruhm des großen Leonardo begründeten? Zum größten Teil waren es die Ideen, Skizzen und Konstruktionspläne seiner Schüler, die der große Meister für sich beanspruchte.
Ein Rascheln ließ Giacomo aus seinen Gedanken aufschrecken. Ein Diener war in den Garten gekommen und zündete Fackeln an. Giacomo wurde bewusst, dass er noch die Palette und den Pinsel in den Händen hielt. Langsam drehte er sich um und betrachtete die Leinwand, an der sein Meister so intensiv gearbeitet hatte. Farben stiegen in geraden Linien, nach oben hin immer heller werdend, zum oberen Ende der Leinwand auf. Kein Objekt, kein Himmel … Leonardo hatte an einer einfachen Farbtafel gearbeitet. Das Universalgenie, der Schöpfer wilder Maschinen und obskurer Ideen, malte einfache Farbtafeln, wie ein Schüler des ersten Jahres.
Giacomo warf die Palette und den Pinsel ins Gras. Die Lippen fest aufeinander gepresst, stürmte er in die Werkstatt. Er würde die Machina zur Beobachtung des Mondes und der Sterne bauen. Solange würde er noch die Nähe seines Meisters suchen, da er durch ihn das notwendige Geld und die entsprechenden Mittel bekommen würde. Aber sobald die Machina fertig wäre, würde er der Welt zeigen, dass sie seine Erfindung war.
Giacomo Ludovico Fontanelli.
Sein Name würde ruhmreich durch die Zeiten hallen, und nicht der seines Meisters.
Giacomo betrat seine Werkstatt. Nur der schwache Schimmer der Kohlenglut im Kamin
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