Uhtred 6 - Der Sterbende König
er.
»Das tut mir leid.«
»Gott wird mich bald heimholen«, sagte er, und in dieser Sache hatte er recht.
»Seid Ihr diesen Sommer gereist?«
»Es war ermüdend«, sagte er, »aber ja, ich war im Norden und im Osten. Und jetzt bin ich auf dem Weg nach Hause.«
Ich legte Geld auf den Tisch. »Erzählt mir, was vorgeht.«
»Sie werden angreifen«, sagte er.
»Das weiß ich.«
»Jarl Sigurd ist wieder gesund«, sagte Offa, »und es kommen Schiffe übers Meer.«
»Es kommen immer Schiffe übers Meer«, sagte ich.
»Sigurd hat verbreiten lassen, dass es hier Land zu verteilen gibt.«
»Wessex.«
Er nickte. »Und deshalb kommen die Schiffe, Herr.«
»Wohin fahren sie?«
»Sie sammeln sich in Eoferwic«, sagte Offa. Diese Neuigkeit hatte ich schon von Händlern gehört, die aus Northumbrien zurückgekommen waren. Weitere Schiffe fuhren heran, Schiffe voll ehrgeiziger und hungriger Krieger, aber die Händler hatten alle behauptet, dass diese Armee zusammengezogen wurde, um die Schotten anzugreifen. »Das wollen sie Euch denken lassen«, sagte Offa. Er berührte eine der Silbermünzen auf dem Tisch, folgte dem Umriss von Alfreds Kopf mit dem Finger. »Sehr gerissen, was Ihr da in Natangrafum treibt«, sagte er lauernd.
Einen Moment lang schwieg ich. Eine Gänseschar wurde vor dem Gasthaus vorbeigetrieben, und es gab ärgerliche Rufe, als ein Hund die Tiere anbellte. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht«, sagte ich. Das war eine äußerst schwache Erwiderung.
»Ich habe niemandem davon erzählt«, sagte Offa.
»Ihr träumt wohl, Offa«, sagte ich.
Er sah mich an und schlug ein Kreuz vor seiner knochigen Brust. »Ich schwöre es, Herr, ich habe niemandem davon erzählt. Aber es war ein schlauer Einfall, ich beglückwünsche Euch dazu. Er hat Jarl Sigurd viel Ärger gemacht!« Er gluckste in sich hinein, dann benutzte er den Elfenbeingriff seines Messers, um eine Haselnuss aufzuknacken. »Was hat einer von Euren Engeln gesagt? Sigurd wäre ein kleiner Mann und schlecht ausgestattet.« Er lachte wieder leise und schüttelte den Kopf. »Es hat ihn sehr geärgert, Herr. Und vielleicht gibt Sigurd Eohric deshalb Geld, sehr viel Geld. Eohric wird sich den Dänen anschließen.«
»Edward sagt, er hat einen Friedensschwur von Eohric«, wandte ich ein.
»Und Ihr wisst, was Eohrics Schwüre wert sind«, gab Offa zurück. »Sie werden tun, was sie schon vor zwanzig Jahren hätten tun sollen, Herr. Sie werden sich gegen Wessex verbünden. Alle Dänen und alle Sachsen, die Edward hassen, sie alle.«
»Ragnar?«, fragte ich. Ragnar war mein lieber alter Freund, ein Mann, den ich als Bruder betrachtete, ein Mann, den ich seit Jahren nicht gesehen hatte.
»Es geht ihm nicht gut«, sagte Offa sanft, »nicht gut genug, um mit einer Armee loszuziehen.«
Das stimmte mich traurig. Ich schenkte Ale nach, und eines der Schankmädchen eilte an den Tisch, um nachzusehen, ob der Krug leer war, aber ich winkte sie fort. »Und was ist mit Cent?«, fragte ich Offa.
»Was soll mit Cent sein, Herr?«
»Sigebriht hasst Edward«, sagte ich, »und er will sein eigenes Königreich.«
Offa schüttelte den Kopf. »Sigebriht ist ein unreifer Tölpel, Herr, aber sein Vater hat ihn in die Schranken gewiesen. Er hat die Peitsche benutzt, und Cent wird loyal bleiben.« Er klang sehr sicher.
»Also verhandelt Sigebriht nicht mit den Dänen?«, fragte ich.
»Wenn er es tut, habe ich nicht die leiseste Andeutung darüber gehört«, sagte Offa. »Nein, Herr, Cent ist loyal. Sigelf weiß, dass er Cent nicht allein halten kann, und Wessex ist für ihn ein besserer Verbündeter als die Dänen.«
»Habt Ihr Edward das alles erzählt?«
»Ich habe es Pater Coenwulf erzählt«, sagte er. Coenwulf war nun Edwards engster Berater und ständiger Begleiter. »Ich habe ihm sogar erzählt, von wo der Angriff kommen wird.«
»Und das wäre?«
Er betrachtete die Münzen auf dem Tisch und schwieg. Ich seufzte und legte noch zwei dazu. Offa schob die Münzen auf seine Seite des Tischs und richtete sie zu einer säuberlichen Linie aus. »Sie wollen Euch glauben lassen, dass sie von Ostanglien angreifen«, sagte er. »Aber das werden sie nicht tun. Der eigentliche Angriff wird von Ceaster aus kommen.«
»Woher wollt Ihr das denn wissen?«, fragte ich.
»Brunna«, sagte er.
»Haestens Frau?«
»Sie ist eine echte Christin.«
»Tatsächlich?«, fragte ich. Ich hatte die Taufe von Haestens Frau immer für eine freche List gehalten, um Alfred zu
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