Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Uhtred 6 - Der Sterbende König

Uhtred 6 - Der Sterbende König

Titel: Uhtred 6 - Der Sterbende König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
täuschen.
    »Sie hat das Licht gesehen«, sagte Offa spöttisch. »Ja, Herr, tatsächlich, und sie hat es mir anvertraut.« Er sah mich mit seinen traurigen Augen an. »Ich war einst ein Priester, und vielleicht kann man danach niemals aufhören, ein Priester zu sein, und sie wollte beichten und dass ich ihr das Beichtsakrament spende und das alles. Gott steh mir bei. Sie bekam, was sie wollte, und jetzt, Gott steh mir bei, habe ich die Geheimnisse verraten, die sie mir erzählt hat.«
    »Die Dänen werden in Ostanglien eine Armee aufstellen?«
    »Das werdet Ihr erleben, da bin ich gewiss, aber die Armee, die sich hinter Ceaster sammelt, werdet Ihr nicht sehen, und es ist diese Armee, die Richtung Süden ziehen wird.«
    »Wann?«
    »Nach der Erntezeit«, sagte Offa überzeugt und mit so leiser Stimme, dass nur ich ihn hören konnte. »Sigurd und Cnut wollen die größte Armee zusammenziehen, die Britannien je gesehen hat. Sie sagen, es ist an der Zeit, den Krieg für immer zu beenden. Sie wollen nach der Ernte ausrücken, weil sie dann genügend Futter für die Pferde haben. Sie wollen die mächtigste Armee der Geschichte in Wessex einmarschieren lassen.«
    »Glaubt Ihr Brunna?«
    »Sie verabscheut ihren Ehemann, und deshalb glaube ich ihr, ja.«
    »Was sagt Ælfadell dieser Tage?«, fragte ich.
    »Sie sagt, was ihr Cnut aufträgt: dass der Angriff von Osten kommt und dass Wessex untergehen wird.« Er seufzte. »Ich wünschte, ich könnte lange genug leben, um zu erfahren, wie all das ausgeht, Herr.«
    »Ihr habt noch gut und gern zehn Jahre, Offa«, erklärte ich ihm.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich spüre den Engel des Todes dicht hinter mir, Herr.« Er zögerte. »Ihr wart immer gut zu mir, Herr.« Er senkte den Kopf. »Ich schulde Euch Dank für Eure Freundlichkeit.«
    »Ihr schuldet mir gar nichts.«
    »Doch, das tue ich, Herr.« Er hob den Kopf, und zu meiner Überraschung schwammen seine Augen in Tränen. »Nicht jedermann hat mich freundlich behandelt, Herr«, sagte er. »Ihr wart immer großzügig.«
    Er hatte mich in Verlegenheit gebracht. »Ihr wart mir von großem Nutzen«, murmelte ich.
    »Und nun gebe ich Euch mit allem Respekt vor Euch, Herr, und in Dankbarkeit, meinen letzten Rat.« Er hielt inne und schob mir zu meiner Überraschung die Münzen wieder zu.
    »Nein«, sagte ich.
    »Macht mir die Freude, Herr«, sagte er. »Ich will Euch danken.« Er schob die Münzen noch dichter vor mich. Eine Träne rollte seine Wange hinab, und er wischte sie mit dem Armelaufschlag weg. »Vertraut niemandem, Herr«, sagte er leise, »und nehmt Euch vor Haesten in Acht, Herr, und nehmt Euch auch vor der Armee im Westen in Acht.« Er sah mich an und wagte es, mit einem langen Finger meine Hand zu berühren. »Nehmt Euch vor der Armee aus Ceaster in Acht, und lasst nicht zu, dass uns die Heiden zerstören, Herr.«
    Noch in diesem Sommer starb er.
    Dann kam die Ernte, und sie war gut.
    Und nach der Ernte kamen die Heiden.

 

    ZEHN
    I ch habe später herausgefunden, wie es geplant wurde, doch dieses Wissen war ein schwacher Trost. Ein Kampfverband ritt nach Natangrafum, und weil so viele der Krieger Sachsen waren, erschien niemandem ihre Anwesenheit merkwürdig. Sie trafen an einem Abend ein, an dem das Grab leer war, denn inzwischen währte der Friede schon so lange, dass die Engel nur noch selten erschienen, doch die Angreifer wussten genau, wohin sie gehen mussten. Sie ritten geradewegs zu dem Römerhaus bei Turcandene, wo sie die paar Wachleute überrumpelten und anschließend schnell und geschickt töteten. Als ich am nächsten Tag ankam, war alles voll Blut, sehr viel Blut.
    Ludda war tot. Ich nahm an, dass er versucht hatte, das Haus zu verteidigen, und seine ausgeweidete Leiche lag mitten im Eingang. Sein Gesicht war in einer Schmerzensmaske erstarrt. Acht andere meiner Männer waren ebenfalls tot, und man hatte ihnen die Kettenhemden, Armringe und alles andere von Wert genommen. Mit Blut hatte jemand auf eine Wand, an der noch immer der römische Verputz auf den Backsteinen haftete, in groben Strichen einen fliegenden Raben gezeichnet. Triefend war das Rot an der Wand herabgelaufen, und ich erkannte den Abdruck einer Männerhand unter dem wild gekrümmten Schnabel des Raben. »Sigurd«, sagte ich verbittert.
    »Ist das sein Zeichen, Herr?«, fragte mich Sihtric.
    »Ja.«
    Von den drei Mädchen war keines dort. Ich vermutete, dass die Angreifer sie alle drei hatten mitnehmenwollen, aber es war ihnen nicht

Weitere Kostenlose Bücher