Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
UEFA-Cup mussten wir uns vorzeitig verabschieden, einer saudummen 0:1-Niederlage im Rückspiel bei Widzew Lodz sei Dank. Nicht nur deshalb blieb uns die Reise nach Polen noch lange in Erinnerung: Nach der Pleite schlichen wir bedröppelt zum Flughafen in Lodz, doch als unser Flieger starten wollte, machte plötzlich eine Nebelwand die Abreise unmöglich. Die ganze Stadt schien zu heiß gebadet zu haben, so dicht hatte sich der Nebel über Lodz gelegt. Kein Abflug, aber auch kein Hotel, was nun? Stundenlang kurvten wir mit unserem Bus durch Polen, erst in Warschau fanden wir ein Hotel, das, obwohl eigentlich noch gar nicht bezugsfertig, extra für uns die Tore öffnete. Mit einigen Runden Backgammon versuchte ich gemeinsam mit meinem Kumpel Bernd Krauss die Zeit totzuschlagen. Am nächsten Morgen, ich kam gerade aus dem Badezimmer, sagte ich zu Bernd: »Zieh doch mal die Gardine weg, vielleicht ist der Nebel verschwunden.« Und Bernd: »Uli, das ist keine Gardine.« Besserung der Wetterlage? Im Gegenteil! So dicht stand der Nebel vor unserem Fenster, dass ich die trübe Suppe für einen Vorhang gehalten hatte.
An einen Rückflug war noch immer nicht zu denken. Inzwischen war es Donnerstagmorgen, und am Freitag sollten wir am Bökelberg eigentlich die Bayern empfangen. Das fiel offenbar auch Jupp Heynckes ein, denn kurz nach dem Frühstück scheuchte er uns in den Bus, und im Schneckentempo machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Trainingsplatz! Das war ein Spaß. Die Sicht betrug vielleicht maximal fünf Meter, jede Flanke landete im Nirgendwo. Noch besser war es im abschließenden Trainingsspielchen: Alle paar Minuten schrie irgendwer laut »Tor!«, kein Mensch konnte den tatsächlichen Spielstand kontrollieren. Ich habe an diesem Tag jedenfalls eine Menge Mitspieler jubeln hören, die ansonsten mit dem Toreschießen eher etwas weniger zu tun hatten.
Erst am Freitag verzog sich der Nebel, wir konnten endlich nach Hause. Zum Glück hatte die Vereinsführung eine Verlegung des Spiels gegen die Bayern erwirken können. Am 11. Dezember 1984, einen Monat nach unserem Spiel in Lodz, empfingen wir schließlich die Münchner und ihren neuen Star Lothar Matthäus. Schon in den Tagen vor dem Spiel waren die Giftpfeile zwischen München und Mönchengladbach hin und her geflogen. Die Wunden, die sich Lothar und die Gladbacher Verantwortlichen nach dem tragischen Pokalaus zugefügt hatten, waren noch längst nicht vernarbt. Lothar stänkerte, Helmut Grashoff verhängte ein Hausverbot für das Clubhaus, Uli Hoeneß warf Grashoff »Volksverhetzung« vor, das ganze Programm der vorgezogenen Nickligkeiten. Selbstverständlich färbte das auch auf uns Spieler ab. Die ohnehin vorhandene Rivalität und der Stress mit Matthäus erleichterten Jupp Heynckes die Arbeit ungemein. Um es vorsichtig zu formulieren: Wir waren unglaublich motiviert, den Bayern ordentlich in den Hintern zu treten. Dazu kam, dass aufgrund der Spielverlegung das Fernsehen einen ganz besonderen Deal mit den beiden Clubs ausgehandelt hatte: Erstmals wurde ein Bundesligaspiel in voller Länge live und in Farbe übertragen. Die ganze Nation durfte also zusehen, als Lothar schon vor dem Anstoß von den Gladbacher Fans als »Judas« beschimpft wurde. Kein schönes Erlebnis für einen Spieler, der sich jahrelang für die Borussia aufgerieben hatte. Doch Zeit, um in alten Erinnerungen zu schwelgen, hatten wir an diesem Tag nicht. Mich eingeschlossen. Mochte Lothar auch mein Kumpel sein, in diesem Spiel war er mein Gegenspieler, dazu noch im Trikot von Bayern München. Gleich im ersten Zweikampf senste ich ihn rustikal über die Seitenlinie. »Du Arsch«, brüllte er mich an, »was soll der Scheiß!«. Aber was hätte ich machen sollen? Ihn unbehelligt durch unsere Hälfte spazieren lassen? Natürlich nicht. Doch diese eine Grätsche nahm er mir übel. Zumal wir diese Partie auch noch mit 3:2 gewannen. In den kommenden Wochen und Monaten lief unsere einstige Freundschaft langsam, aber sicher aus. Schade, dabei hatte ich doch eigentlich nur meinen Job gemacht.
Die Winterpause soll für Fußballprofis eigentlich eine Zeit der Erholung sein. Nicht so für die Angestellten von Borussia Mönchengladbach! Der Verein hatte im Zuge der Vorbereitung ein Freundschaftsspiel gegen den SC Zamalek, einem der größten Clubs aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo, vereinbart. Eine interessante Reise – wenn da nicht unser inzwischen schon deutschlandweit bekanntes Pech bei
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