Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Auswärtsfahrten, siehe Lodz, gewesen wäre. So saßen wir am 17. Januar 1985 im Flugzeug, das uns von Frankfurt nach Kairo bringen sollte. Wir überflogen gerade Zypern, als plötzlich alle Lichter in der Maschine ausgingen, wir einen fürchterlichen Knall hörten und die Maschine einige hundert Meter absackte. Mein Gott, ich machte mir fast in die Hose! Der Kapitän klärte uns auf: Probleme mit der Maschine, dazu ein Sandsturm über Kairo. Landung auf Zypern unvermeidlich. Wir also runter. Da standen wir nun auf einem Rollfeld in Zypern, schick eingekleidet in unseren Teamanzügen. Wann würden wir weiterfliegen? Niemand konnte es uns sagen. Was war mit unseren Koffern? Keine Chance, signalisierte der Kapitän, die hatten gefälligst im Flugzeugbauch zu bleiben. Ohne unsere Koffer machten wir uns auf die Suche nach einem Hotel, wieder mussten die Besitzer extra für uns die Türen aufschließen. In einem kleinen Supermarkt deckten wir uns mit Zahnbürsten, Shampoo und frischer Unterwäsche ein, wer konnte schon sagen, wie lange wir auf dieser Insel bleiben mussten?
Langsam wurde es dunkel. Noch immer stand unser Flugzeug auf dem Rollfeld. Zur Tatenlosigkeit verdammt rafften wir uns auf und schlenderten zum Strand. Und dort stand sie: die »Goldfish Bar«. Jeder Spieler von Borussia Mönchengladbach, der mit auf dieser Reise war, wird sich an diese Kneipe erinnern. Vielleicht war es die kuriose Ausnahmesituation, in der wir uns befanden, vielleicht die untergehende Sonne am Strand von Zypern, auf jeden Fall zogen an diesem Abend alle mit. Wir feierten, als wenn morgen die Welt untergehen würde, sangen Arm in Arm die schönsten Schlager rauf und runter. Ein wunderbarer Abend! Erst morgens gegen fünf Uhr kehrten wir in unser Hotel zurück. Dort angekommen wartete auch schon die Flugzeug-Crew auf uns: »Abflug in 30 Minuten! Die Maschine ist startklar.« Wir wollten nicht glauben, was uns die Damen und Herren da erzählten. Aber was sollten wir machen? So schleppten wir uns arg angeschossen zurück in den Flieger, der nach wenigen Stunden sanft auf dem Flughafen von Kairo landete. Unser erster Gedanke: Jetzt noch ein kleines Frühstück und dann ab ins Bett. Von wegen: Kaum dass unser Essen auf dem Tisch stand, begrüßte uns auch schon ein Mitarbeiter vom SC Zamalek, das Spiel, das eigentlich am Tag zuvor hatte stattfinden sollen, würde in wenigen Stunden angepfiffen werden. Das Stadion sei bereits zur Hälfte gefüllt! Eine mittelschwere Katastrophe. Mit Müh und Not schleppten wir unsere immer noch alkoholisierten Körper ins Stadion und nur dank einer ungeheuren Energieleistung unserer Abwehr verloren wir nicht höher als 0:2. Den größten Auftritt hatten unsere Supertechniker Uwe Rahn und Christian Hochstätter: 45 Minuten lang tingelten sie durch den Mittelkreis, dann zeigte Jupp Heynckes Erbarmen und wechselte das Duo aus. Wesentlich besser, weil fitter, präsentierten wir uns zwei Tage später im Testspiel gegen Al Ahli Kairo – Endergebnis: 3:0.
Bevor wir in die Rückrunde einstiegen, wartete allerdings noch ein weiteres Highlight auf uns. In Karlsruhe fand das erste nationale Hallenturnier statt. Und wer hatte die Ehre, als erster deutscher Profifußballer überhaupt bei einem Spiel in der Halle vom Feld zu fliegen? Natürlich ich. Nach einer satten Grätsche, die meinen Gegenspieler ziemlich unsanft über die Plexiglasbande bugsierte, schickte mich der Schiedsrichter für zwei Minuten vom Feld. Damit hatte niemand gerechnet, die dafür benötigte Strafbank musste erst in die Halle geschleppt werden.
DIE NIEDERLAGE MEINES FUSSBALLERLEBENS
Angst im Estadio Bernabeu
Wenn ich ein Motto für die Saison 1985/86 nennen müsste, dann wäre es wohl: Angst. Nackte Angst, wie man sie nur als Fußballprofi erfahren kann. Ein Gefühl, das mir allerdings auch zu einer wichtigen Lektion verhelfen sollte: Wer Angst hat, der hat das Spiel schon verloren, bevor der erste Pass gespielt ist.
Für die starke Vorsaison hatten wir uns selbst mit Patz vier und der Qualifikation für den UEFA-Cup belohnt. Die ersten beiden Runden gegen Lech Posen und Sparta Rotterdam hatten wir relativ locker überstanden, nun warteten wir gespannt auf die Auslosung für das Achtelfinale. Real Madrid, Real Madrid, Real Madrid. Wie ein Mantra spukte der mögliche Gegner in meinem Kopf herum. Und tatsächlich: Das Achtelfinale sollte zwischen Borussia Mönchengladbach und Real Madrid stattfinden. Ein Traum! Einziger Nachteil: Um noch
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