Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
schriftlicher Bericht über meine Erlebnisse des Tages, quasi eine Art Tagebuch. So etwas habe ich noch nie zuvor in meinem Leben gemacht. Mal sehen, ob das alles so funktioniert. Vielleicht ist es am besten, wenn ich einfach loslege.
Gefreut hat mich, dass das Namensschild heute Morgen weg war. Jetzt wusste ich, dass es nach oben geht. Dann holte mich auch schon mein Pate ab (jeder Patient bekommt hier am Anfang einen »erfahrenen« Mitpatienten als Paten) und es ging nach oben. Der erste Tag im geschlossenen Therapiebereich. Ich war sehr gespannt, wie sich der erste Tag entwickelt. Bei der ersten Gesprächsrunde war ich doch etwas nervös. Dann kam die Vorstellung, danach ein ganz heikles Thema. Es ging um den Rückfall. Was ich da zu hören bekam, machte mich doch sehr nachdenklich. Zu guter Letzt bekam ich sogar etwas Angst, nachdem ich gehört habe, wie es vielen Gleichgesinnten ergangen ist.
15. März 2000
In der Suchtgruppe wurden zwei Suchtberichte vorgestellt. Unterschiedlicher konnten die zwei Berichte nicht ausfallen. Anschließend konnte ich mich noch mal in meiner Gruppe 32 vorstellen. Es gab Fragen zu meiner Person, die ich auch gerne beantwortete. Nach dem Essen begann die Visite, an der ich nur 25 Minuten teilgenommen habe. Schade, denn es fing gerade an, interessant zu werden. Später ging ich zur Stunde bei Frau Kirmes. Das Gespräch war super. Das heißt, ich konnte endlich mal mit jemandem reden, der zuhört und der mich versteht. Ich habe gemerkt, dass ich mich Frau Kirmes anvertrauen kann, weil mich endlich jemand so behandelt, dass ich keine Angst haben muss, frei zu reden. Emotional hatte ich schon feuchte Augen.
IN DER ABSTELLKAMMER
Die ersten Schritte bei Borussia Mönchengladbach
Der Alltag schmeckte wie altes Papier. Tagelang lag ich einfach auf meinem Bett und starrte an die Decke. Morgens musste ich mich regelrecht aus dem Haus quälen, um zur Maloche zu gehen. Der Traum vom Fußballprofi war ausgeträumt, jedenfalls für mich. Meine Zukunft würde ich nun an der Werkbank ausfechten dürfen. Knapp 14 Tage waren seit der vernichtenden Information aus Wanne-Eickel vergangen, langsam aber sicher hatte ich mich mit der neuen Situation abgefunden, da klingelte das Telefon. Ich nahm ab. »Busch hier, grüß dich Uli!« Bernd Busch, ein Mitarbeiter vom Finanzamt, fußballverrückt, ich hatte ihn während meiner Zeit beim SSV Kalthof mal kennengelernt.
»Gute Neuigkeiten, Uli. Ich kann dir ein Probetraining bei Borussia Mönchengladbach besorgen. Ich habe zufällig die Nummer vom Jupp Heynckes, kenne den auch ein bisschen. Das dürfte also kein Problem sein!«
Na klar, dachte ich mir. Noch so ein Irrer mit angeblich autobahndicken Verbindungen in die Fußball-Szene. Aber was hatte ich schon zu verlieren?
»Herr Busch, das klingt super. Machen sie mal.«
Ich hatte eigentlich fest damit gerechnet, nie wieder von Bernd Busch zu hören, doch dann klingelte zwei Wochen nach unserem ersten Gespräch tatsächlich wieder das Telefon.
»Busch hier. Uli, nächste Woche fahren wir beide zum Probetraining nach Mönchengladbach!«
Ich war viel zu perplex, um mich anständig zu bedanken, sagte nur: »Dann fahren wir da mal hin«, legte auf und konnte es nicht fassen. Noch vor wenigen Wochen schien die große weite Fußball-Welt für mich unerreichbar, jetzt sollte ich bei einem der besten Clubs der Bundesliga vorspielen. Mir wurde richtig schwindelig. Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, jagte ich los und klatschte meinen Kumpels die sagenhafte Neuigkeit um die Ohren. Hatte ich auf neidische Blicke oder Jubelstürme gehofft, wurde ich bitter enttäuscht.
»Na klar. Und nächste Woche unterschreibst du bei den Bayern!«
Hohn und Spott kübelten sie über mir aus. Dass ich tatsächlich zum Probetraining am Bökelberg eingeladen worden war, wollte mir niemand glauben.
Und ehrlich gesagt: Ich selbst glaubte bis zur letzten Sekunde, dass Herr Busch den Mund einfach zu voll genommen hatte und wir spätestens von der Gladbacher Empfangsdame wieder nach Hause geschickt werden würden. Aber nein, man erwartete uns tatsächlich. Steif wie ein Brett stand ich im Eingangsbereich, sah die Profis mit ihren glänzenden Wagen vorfahren, die Trainingstaschen lässig geschultert. Wolf Werner, damals Co-Trainer von Jupp Heynckes, begrüßte mich und führte mich in den Kabinentrakt. In einem kleinen Kabuff, in dem die Putzfrauen Wischlappen und Eimer lagerten, durfte ich mich umziehen. Durch die halb
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