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Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)

Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)

Titel: Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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menschenscheu und würde deshalb dort draußen arbeiten. Dann hatte sie Rick noch erzählt, dass Minaxo auf See ein Auge verloren hatte und ein guter Freund seines Vaters gewesen war. Doch als sie wiederum hatte wissen wollen, warum sich Rick plötzlich für den Leuchtturmwärter interessiere, hatte Rick nur mit den Schultern gezuckt und »Ach, einfach bloß so« geantwortet.
    Patricia kannte diese Antwort nur zu gut. Ihr Mann hatte sie ihr immer gegeben, wenn er nicht über die Dinge hatte sprechen wollen, die ihn beschäftigt hatten. Zum Beispiel an jenem Tag, als er seine Ausrüstung zusammengepackt hatte und hinausgefahren war, um weit draußen in der Bucht zu tauchen.
    Gemeinsam mit Leonard Minaxo.
    Patricia hielt den Hörer ans Ohr und wartete.
    Es läutete wieder und wieder, aber niemand nahm ab.
    Danach wusste Mrs Banner nicht mehr, wen sie noch anrufen sollte. Sie hinterließ Rick auf dem Küchentisch eine Nachricht für den Fall, dass er nach Hause kam, während sie weg war. Dann nahm sie ihre Jacke von der Garderobe und verließ das Haus. Sie schaltete weder das Licht aus noch schloss sie die Haustür ab.
    Mit schnellen Schritten ging sie zum
Salt Walker,
der einzigen Gaststätte im Ort, und fragte den Besitzer hinter dem Tresen nach Rick.
    »Hat hier jemand den jungen Banner gesehen?« Der Mann sah die wenigen Gäste der Reihe nach an.
    Die Leute sahen einander an. Dann schüttelte einer nach dem anderen den Kopf. Nein, niemand hatte ihn zu Gesicht bekommen.
    »Oder vielleicht doch«, meinte ein Fischer. Er glaubte, den Jungen am Strand gesehen zu haben, wie er aus einem Ruderboot gestiegen war.
    »Wann war das?«, fragte Patricia sichtlich erschrocken über diese Information.
    »Am frühen Nachmittag.«
    »War er allein?«
    »Nein, wenn ich mich richtig erinnere, waren noch ein Junge und ein Mädchen bei ihm.«
    Patricia bedankte sich und verließ das Lokal. Ihr Magen hatte sich zusammengekrampft. »Schon wieder ein Boot«, dachte sie laut. »Schon wieder das verdammte Meer.«
    Sie lief die Mole neben dem Strand von
Whales Call
entlang. Auf der gegenüberliegenden Seite thronte die Villa Argo über den Klippen. Ihr fiel auf, dass viele ihrer Fenster hell erleuchtet waren.
    Warum haben sie nicht gemerkt, dass ihr Telefon nicht funktioniert?, fragte sich Patricia Banner.
    Sie ging bis zum Ende der Mole und kehrte dann wieder um. Am Himmel glitzerten die Sterne. Das Meer war ruhig und so glatt wie ein Spiegel. Der Lichtkegel des Leuchtturms drehte seine Runde und schien einen Augenblick lang auf ein Ruderboot, das an den Strand gezogen worden war.
    Patricia schüttelte den Kopf, wie um böse Erinnerungen abzuwehren. Doch die Erinnerungen waren zu stark und ließen sich nicht so einfach vertreiben.
    Zuerst tauchte vor ihrem geistigen Auge das Bild von Leonard Minaxo auf, wie er im Dunkeln vor ihrem Haus gestanden hatte.
    »Es tut mir leid, Patricia«, hatte er geflüstert. »Es kann sein, dass deinem Mann etwas zugestoßen ist.«
    Sie war an der Seite des Leuchtturmwärters zum Strand gelaufen, wo sich schon das ganze Dorf versammelt hatte. Sie hatten einen Halbkreis gebildet. Patricia hatte das Boot im Schein der Fackeln gesehen.
    Das Boot ihres Mannes.
    Und es war leer gewesen.
    »Leonard hat es draußen vor der Bucht gefunden«, hatte jemand gesagt.
    Patricia hatte das kleine Boot angestarrt. Darin lagen noch seine Kleider. Die Netze. Die Tauchausrüstung. Ein nasses Stoffbündel.
    »Was ist passiert?«, fragte sie die Umstehenden.
    »Wir wissen es nicht.«
    »Wir wollen rausfahren, um ihn zu suchen«, hatten die Fischer gesagt. »Wir werden ihn finden.«
    Jemand hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, während sie nach dem Stoffbündel gegriffen hatte: Ein alter, rostiger Schlüssel war in ihre Hand gefallen.
    Sie hatte ihn an ihre Brust gedrückt und sich umgedreht, sodass sie plötzlich allen aus dem Dorf gegenübergestanden hatte.
    Und in diesem Moment hatte sie gewusst, dass ihr Mann tot war.
    Als der Lichtkegel zum zweiten Mal das Boot streifte, kehrte Patricia Banner in die Wirklichkeit zurück.
    Sie stieg hinunter zum Strand. Das Boot war kleiner als das ihres Mannes. Es war ein einfaches Ruderboot, das so intensiv nach Meer roch, dass ihr beinahe schlecht wurde. Der Name am Bug kam ihr bekannt vor:
Annabelle.
    So hieß Ulysses‘ Mutter, die als junge Frau ums Leben gekommen war.
    Patricia Banner warf der Villa Argo hoch oben auf den Klippen einen hasserfüllten Blick zu. Sie beschloss,

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