Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)
her zum Strand.
Lächelnd machte Mr Covenant das Fenster zu. Dabei bemerkte er, dass im Gärtnerhaus Licht brannte. Offenbar hatte Nestor Besuch bekommen, denn er lief in seinem Wohnzimmer auf und ab, als befände er sich mitten in einer lebhaften Diskussion. Mr Covenant kniff die Augen zusammen und konnte erkennen, dass sich der Gärtner mit dem rothaarigen Jungen aus dem Dorf unterhielt.
Dann können Julia und Jason ja nicht weit sein, dachte er zufrieden. Offenbar machten sie dem alten Nestor mal wieder das Leben schwer.
Mr Covenant verließ das Turmzimmer und stieg die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. »Oh nein!«, stöhnte er. Er war mit seinen Pantoffeln auf der letzten Treppenstufe ausgerutscht und hatte sich unter den strengen Blicken der früheren Besitzer der Villa im letzten Moment am Geländer hochziehen können. Gerade als er dachte, dass sich sein Porträt in der langen Reihe der Bilder gut machen würde, stürzte ein Schatten auf ihn zu.
Augenblicklich wurde Mr Covenant von einer grünlichen Wolke eingehüllt, die nach Kamille roch. Überrascht machte er einen Schritt zur Seite, geriet ins Straucheln und fiel der Länge nach auf den Teppich.
Hinter ihm schloss ein Mann, der wie ein Mönch gekleidet war, einen Glasflakon und sah auf den bewusstlosen Mr Covenant hinunter. »Vielleicht hätte für ihn auch weniger von dem Schlafmittel gereicht, was meinst du?«
Seine in blaue Seide gekleidete Assistentin machte nur eine wegwerfende Handbewegung. »Komm, sehen wir zu, dass wir ihn und seine Frau verschwinden lassen!«
Der Mann schaute sich nachdenklich um. »Aber wohin mit ihnen? Ist schon lange her, seit ich das letzte Mal hier war.«
Mrs Banner sah auf die Uhr: Es war neun Uhr durch und Rick war immer noch nicht zu Hause. Inzwischen war das Abendessen kalt.
»Was ist bloß los?«, fragte sie sich. Irgendetwas schien ihren Sohn so sehr zu beschäftigen, dass er darüber alltägliche Dinge vergaß. Zum Beispiel pünktlich zum Essen zu erscheinen.
Mrs Banner hätte wetten können, dass Rick in der Villa Argo war, aber warum hatte er nicht Bescheid gesagt? Und weshalb war er in letzter Zeit so schweigsam? Sie hatten früher immer viel miteinander geredet. Und nun hatte sich Rick auf einmal in sich zurückgezogen. Im Laufe eines einzigen Wochenendes hatte er sich stärker verändert als im ganzen Jahr zuvor.
Diese Veränderungen hatten aber auch ihr Positives. Rick kam ihr irgendwie glücklicher vor. Es war, als sei er aus der Betäubung erwacht, in die ihn der Tod seines Vaters gestürzt hatte. Dass er jedoch keine Rücksicht mehr auf sie nahm … Nein, das durfte sie ihm nicht durchgehen lassen.
Sie fasste einen Entschluss: Sie kramte ihr in rotes Leder gebundenes Adressbuch hervor und wählte die Nummer der Villa Argo.
Der Anschluss sei nicht erreichbar, teilte ihr kurz darauf eine Tonbandstimme mit.
Sie legte den Hörer auf, nahm ein zweites Mal ab und versuchte es erneut.
Wieder nicht erreichbar.
Mrs Banner biss die Zähne so fest zusammen, dass ihre Kiefer schmerzten. Was sollte sie tun? Sie war sich sicher, dass Rick da oben war und mit seinen neuen Freunden aus London spielte. Und dass die Großstadtluft, die Julia und Jason mitgebracht hatten, ihn stärker faszinierte, als es gut für ihn war. Sie kehrte in die Küche zurück, zu dem Päckchen Geleefrüchte der Konditorei
Chubber.
Sie nahm ein Konfekt und aß es. Und gleich darauf noch eins. Der Zucker der süßen Früchte vertrieb die Bitterkeit aus ihren Gedanken.
Was sollte sie tun?
Sie steckte sich eine dritte Geleefrucht in den Mund. Und beschloss, weiter zu warten.
Es wurde zehn.
Von Rick fehlte noch immer jede Spur. Die Villa Argo war telefonisch weiterhin nicht erreichbar. Und Patricia hatte sämtliche Geleefrüchte aufgegessen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wo sich Rick in letzter Zeit oft herumgetrieben hatte, und rief als Erste Miss Biggles an. Sie wollte sie fragen, ob sie Rick im Laufe des Tages gesehen hatte.
Die alte Dame klang am Telefon ziemlich verschlafen und konnte Mrs Banner nicht weiterhelfen.
»Aber vielleicht ist dir Cäsar über den Weg gelaufen«, meinte sie dann. »Ich befürchte, dass er wieder oben auf einer Straßenlaterne sitzt, der arme Kater.«
Nein, Cäsar war Patricia nicht begegnet.
Als Nächstes wählte sie die Nummer von Leonard Minaxo. Ihr war wieder eingefallen, dass Rick sie beim Mittagessen nach dem Leuchtturmwärter gefragt hatte. Sie hatte geantwortet, Minaxo sei ziemlich
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