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Ulysses Moore – Die Stadt im Eis

Ulysses Moore – Die Stadt im Eis

Titel: Ulysses Moore – Die Stadt im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario
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Schatten eines Gebäudes verschwand.
    »Ich habe schon so lange auf dich gewartet!«, sagte Dr. Bowen einige Minuten später.
    Nestor war soeben im Ort eingetroffen und hatte im improvisierten Büro des Arztes im Obergeschoss der Tierklinik Platz genommen. Bowen durchquerte den Raum und wischte sich dabei den Schweiß von der Stirn. »Ich bin bei Phoenix vorbeigegangen, um zu sehen, wie es um die Vermissten steht. Eine einzige Katastrophe, Nestor, eine einzige Katastrophe!«
    »Wo ist Black?«
    Bowen wusch sich rasch, aber gründlich die Hände in dem Waschbecken an einer Seite des Raums und trocknete sie energisch ab. »Lass mich einen Augenblick ver schnaufen, ja? Wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, herrscht hier ein verdammtes Durcheinander. Die Peacocks fehlen noch, aber vielleicht sind sie nach Zennor gefahren, um ihre Tochter zu besuchen …«
    »Du hast mir gesagt, dass es Black schlimm erwischt hat.«
    »Ja.« Bowen schüttelte den Kopf, als ob ihn plötzlich eine entsetzliche Müdigkeit befallen hätte. »Und leider ist er nicht der Einzige.« Er ging zu dem Sessel auf der anderen Seite des Schreibtischs und ließ sich hineinfallen. Dann schloss er die Augen und drückte die Fingerspitzen gegen die Lider.
    Nestor sah ihn schweigend an.
    »Also, wir sprachen über …«, meinte Dr. Bowen schließlich nach einigen Sekunden und seufzte. Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah auf ein Blatt Papier, das vor ihm lag. »Black. Der gute alte Black Vulcano …« Er stützte die Hände auf den Knien auf und stemmte sich mit einer übertrieben wirkenden Geste hoch. »Ja, lass uns zu ihm gehen.«
    Der alte Gärtner folgte Bowen einen Flur entlang, in dem der stechende, süßliche Geruch von Medikamenten schwebte. Hier wird man ja allein schon von dem Geruch krank, dachte Nestor und rümpfte die Nase. Er senkte den Blick, und ihm fielen die nassen Hosenbeine und verschlammten Schuhe des Arztes auf, die auf dem Fußboden deutliche Spuren hinterließen.
    »Gehen wir nicht hinunter in die Krankenstation?«, fragte er, als er sah, dass der Arzt die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hatte.
    Bowen antwortete nicht.
    »Ist Edna eigentlich bei dir?«, fragte Nestor weiter, während er hinter dem Arzt herhinkte.
    Dieses Mal antwortete Bowen. »Nein, die Ärmste ist zu Hause. Sie hatte einen Anfall. Ich habe ihr ein Beruhi gungsmittel gegeben und sie intubiert. Wenn alles gut gegangen ist, ruht sie sich jetzt aus.«
    Nestor wusste, dass Edna Bowen an einer Krankheit mit einem unaussprechlichen Namen litt, die sie häufig ans Bett fesselte und erforderte, dass sie viele Medikamente nahm. Es handelte sich dabei um eine ähnliche Krankheit wie Asthma, aber mit wesentlich schlimmeren Symptomen.
    Die arme Frau, dachte Nestor. Aber weil er nicht zu den Leuten gehörte, die sich gerne über Krankheiten, Medikamente und Operationen unterhalten, beschränkte er sich darauf, nachdenklich den Kopf zu schütteln.
    »Aber es ist dieses Mal nicht wie sonst«, sagte der Doktor beiläufig im Gehen.
    »Wie bitte?«
    »Dieses Mal ist es wesentlich schlimmer.«
    Weil er keine Ahnung hatte, ob Bowen von seiner Frau, von Black oder von der Überschwemmung sprach, erwiderte Nestor nichts darauf und folgte ihm schweigend. Vor einer großen Glastür am Ende des Flurs blieb der Doktor stehen. Auf einem Schild oben am Türrahmen stand:
    ARCHIV
    Bowen zog einen Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn ins Schlüsselloch. Plötzlich hielt er inne, als sei ihm etwas eingefallen, drehte sich um und sah dem alten Gärtner in die Augen. »Hast du jemals über die Folgen eurer Taten nachgedacht, Nestor? Auch über scheinbar harmlose Taten, wie zum Beispiel das Öffnen einer Tür?«
    Verwirrt sah Nestor ihn an. Was war denn jetzt los? Sollte das eine verschlüsselte Nachricht sein? Er erwiderte gereizt: »Hör mal, Bowen, du und ich …«
    »Du und ich«, fiel ihm Bowen ins Wort, »sind aus demselben Jahrgang. Einem guten Jahrgang. Und wir leben beide im selben kleinen Dorf in Cornwall. Aber abgesehen davon haben wir nicht viel gemeinsam, richtig? Du hast dein Leben und ich habe meins.«
    »Ich verstehe wirklich nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Dann werde ich es dir klar und deutlich sagen. Das letzte Mal, als
jene
Tür geöffnet wurde – und du weißt sehr gut, welche Tür ich meine – wurde die halbe Stadt überschwemmt. Und als Leonard und du durch diese Tür gekommen seid, wart ihr auf grauenhafte Weise zugerichtet. An diesem

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