Ulysses Moore – Die Stadt im Eis
Verschluss. Aber warum habt ihr nicht meine Tochter auserwählt? Oder Cindy? Oder den jungen Pinklewire mit seinen schiefen Zähnen? Oh nein,
Ulysses Moore
hat anders entschieden: die Zwillinge aus London und Rick Banner. Was haben sie so Besonderes an sich? Warum sind sie so viel besser als all die anderen Kinder von Kilmore Cove? Wer bist du, dass du entscheidest, wer die Schlüssel der Türen zur Zeit benutzen darf und wer nicht?«
Nestor drehte das Gesicht zur Decke. Das Atmen fiel ihm schwer. Alle Farben verliefen ineinander, wurden allmählich zu Lila und dann zu Grau. »Nicht … ich … entscheide «, röchelte er.
»Wer soll dir das noch glauben? Antworte mir, wenn du den Mut dazu hast: Warum nicht meine Tochter?«
Unwillkürlich musste Nestor lachen. Er erinnerte sich daran, dass die Tochter der Bowens nach London geflohen war, sobald sie konnte. Und seither nie mehr nach Kilmore Cove zurückgekehrt war, um ihre Eltern zu besuchen. Er verstand sie. Er verstand sie sehr gut.
Er spürte, wie er über den Boden gezogen und angehoben wurde. Auf einmal war Roger Bowens Gesicht nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt. »Du bekommst Lust zu lachen,
Nestor Moore
, bevor du in die Welt der Träume hinübergleitest? Wie wäre es stattdessen mit einem schönen, maßgeschneiderten Albtraum? Stell dir vor: Ich weiß, wo deine Frau Penelope ist. Ich habe es immer gewusst. Und ich weiß auch, warum sie nicht zu dir zurückgekehrt ist. Oder hast du vielleicht schon vergessen, wie es war, als du sie umbringen wolltest, indem du sie von den steilen Klippen hinuntergeschubst hast?«
Es war wie ein Stich mitten ins Herz. Als sei in Nestors Brust eine tiefe, schmerzhafte Wunde aufgebrochen. Sie wurde zu einem schwarzen Abgrund, der Nestor verschlang, der ihn auffraß. Das Letzte, was er wahrnahm, war die Stimme des Arztes. »Schöne Albträume, Moore!«
Dann wurde alles dunkel.
Nestor fiel in einen tiefen Schlaf.
Und alles wurde viel schlimmer als vorher.
Kapitel 10
Geheimwaffen aus der Apotheke
»Was mag mit den anderen geschehen sein?«, fragte Anita.
Nach der eigenartigen Begegnung mit Dr. Bowen waren Jason und sie zur Kirche gelaufen, um nachzusehen, ob Julia und Rick inzwischen dort auf sie warteten. Aber sie waren nicht aufzufinden gewesen. Es kam ihnen vor, als seien ihre Freunde spurlos im Nichts verschwunden, ebenso wie Anitas Vater, Tommaso und Black Vulcano.
Sie hatten auch schon versucht, über Morice Moreaus Notizbuch mit Julia Kontakt aufzunehmen, allerdings ohne Erfolg.
Jetzt gingen sie um einen Schuppen und den ihn umgebenden extrem unordentlichen Hof herum, ohne zu wissen, was sie eigentlich unternehmen sollten. Ein Hund bellte wütend die Möwen an, die sich auf dem Dach des Schuppens niedergelassen hatten.
Jason begann zornig hin und her zu laufen. »Ihnen ist irgendetwas zugestoßen, das weiß ich.«
Anita lehnte sich an den Eisenzaun des Hofs und sah zu dem heiteren blauen Himmel hinauf. »Wie kannst du dir so sicher sein?«
Jason blieb stehen. »Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte er mit gerunzelter Stirn. »Aber seit wir nach Kilmore Cove zurückgekehrt sind, sind zu viele seltsame Dinge geschehen. Erst die Überschwemmung. Dann sagt Cindy, die Flints hätten sie ausgelöst, indem sie die Tür zur Zeit aufgeschlossen haben. Und jetzt wollen uns Rick und Julia offenbar glauben machen, sie wären von Außerirdischen entführt worden.«
Anita merkte, wie ihr Herz schneller schlug. »Als wir sie das letzte Mal gesehen haben, waren die Gebrüder Schere bei ihnen. Glaubst du, dass …«
Erschrocken sah Jason sie an. Dann schüttelte er energisch den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Die beiden könnten nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun.«
Anita biss auf ihrer Unterlippe herum. »Und was ist mit diesem Doktor Bowen? Rick und Julia wollten ja zu ihm, und als wir ihm begegnet sind, kam er mir ziemlich … na ja, aufgeregt vor.«
»Ja«, erwiderte Jason nachdenklich. »Er schien sich nicht besonders darüber zu freuen, mich zu sehen. Und mir kam es vor, als wollte er vermeiden, auf meine Fragen antworten zu müssen. Und dann das, was er über unsere ›sogenannten Freunde‹ sagte … Ich nehme an, damit war Black gemeint. Es schien, als ob … als ob er etwas wüsste.«
»Was weißt du über ihn?«
Jason überlegte. »Eigentlich nichts, mal abgesehen davon, dass er mit einer putzsüchtigen Frau und einem Rudel Gartenzwerge zusammenlebt. Er ist ein Kreuzworträtsel-Fan,
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