Ulysses Moore – Die steinernen Wächter
Sprachen nicht dabei«, stellte Rick fest. »Bekommen wir trotzdem heraus, wohin diese Lokomotive uns fahren kann?«
Jason konzentrierte sich. Immerhin hatte er sich inzwischen viele Zeichen der Scheibe von Phaistos eingeprägt. Er betrachtete ein Symbol und überlegte eine Weile. »Auf diesem hier steht: ›Zum Anfang‹.«
Die drei sahen sich an.
Es war ein faszinierendes und gleichzeitig erschreckendes Ziel. Julia merkte, wie sie eine Gänsehaut bekam.
»Aber wollen wir wirklich herausfinden, wie alles angefangen hat?«, fragte Jason leise.
Rick nickte und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Julia legte ihre Hand auf Jasons andere Schulter.
»Dann also los!«, rief Jason und betätigte den Hebel.
Die Lokomotive setzte sich in Bewegung
Als er glaubte, die richtige Stelle erreicht zu haben, stellte Leonard den Motor seines Bootes aus. Nun schaukelte es sanft in der Strömung. Die Küste bei Kilmore Cove war wenig mehr als eine dunkle Linie am Horizont. Die Wolken am Himmel sahen wie dicke weiche Kissen aus. Es würde noch lange genug hell bleiben.
Der Leuchtturmwärter ging zum Heck, ließ den Anker hinunter und maß dabei die Tiefe. Fünf Meter, zehn Meter. Zwanzig. Dreißig. Vierzig. Sechsundvierzig. Da endlich berührte der Anker den Grund.
»Angekommen«, murmelte Leonard.
Ein paar Meter mehr und das Ankertau wäre nicht lang genug gewesen. Er kehrte in die Kabine zurück und sah ein letztes Mal auf die Karte. So tief war er noch nie getaucht. Und er war kein junger Mann mehr, auch wenn er sich heute so fühlte.
»Okay, versuchen wir es«, sagte er entschlossen.
Er zog den Taucheranzug an, band seine Haare zurück und zog sich die Maske über. Sorgfältig stellte er sie so ein, dass sie fest anlag. Dann kam die aufblasbare Weste an die Reihe, die er mit den Pressluftflaschen verband. Er befestigte das Messer am Gürtel und testete die Taschenlampe. Schließlich schnallte er sich Taucheruhr und Tiefenmesser ans Handgelenk, um die Pausen beim Auftauchen für den Druckausgleich berechnen zu können, und lud sich die Weste mit den beiden Pressluftflaschen auf den Rücken.
Er machte einen großen Schritt über die Bordwand und war im Wasser.
Ich werde dich schon finden, du verdammter Schlüssel, dachte er, als er in die Tiefe abtauchte.
Leonard tauchte steil nach unten und orientierte sich dabei an der dunklen Linie des Ankertaus. Über ihm bildete die ausgeatmete Luft silberne Blasen. Das Wasser unter ihm war schwarz wie Tinte. Er schwamm durch einen Schwarm metallisch blauer Fische hindurch, die in fächerförmiger Formation vor ihm flohen. In immer größere Tiefen drang er vor und empfand dabei gleichzeitig Begeisterung und Angst. Die Dunkelheit hüllte ihn inzwischen vollkommen ein und ließ die Fische, an denen er nun vorbeiglitt, wie Schatten wirken.
Er schaltete die Taschenlampe ein. Ihr Licht war wie ein heller Kegel, der vor ihm her schwamm.
Ein Blick auf Uhr und Tiefenmesser zeigte ihm, dass er seit acht Minuten im Wasser und dreiunddreißig Meter getaucht war.
Er stieg immer tiefer hinab.
Früher, als er damit gerechnet hatte, erreichte er den Grund. Er war eben und mit gespaltenen Felsblöcken übersät, zwischen denen heller Sand lag.
Leonard sah sich um und versuchte sich in dieser Wüste unter dem Wasser zu orientieren. Er entschied sich für eine Richtung und begann den Meeresboden in immer größeren Zirkeln zu erkunden. Dabei ließ er den Lichtkegel der Lampe langsam um sich kreisen.
Fische, dunkle Felsen, Sand.
Nichts Ungewöhnliches.
Er beschrieb einen Kreis nach dem anderen. Auf diese Weise vergingen zwanzig Minuten.
Er sah auf die Uhr und kontrollierte die Luftmischung in den Flaschen.
Nichts Ungewöhnliches.
Er suchte weiter.
Zehn Minuten später hatte er immer noch nichts Interessantes gefunden. Von allen Seiten umgab ihn eine unendlich weite und eintönige Unterwasserlandschaft, in der lautlos die Fische herrschten.
Noch fünf Minuten, dann muss ich wieder hoch, sagte er sich. Er musste für den Aufstieg genügend Zeit einplanen.
Da fiel ihm ein langer, schmaler Schatten auf. Er sah aus wie ein riesiger Felsblock, wie ein ungewöhnlich langer Fisch oder vielleicht wie eine große Spalte im Meeresboden.
Leonard sah auf die Uhr.
Bis zum Aufstieg konnte er sich noch vier Minuten und dreißig Sekunden Zeit lassen.
Er beschloss nachzusehen. Rasch schwamm er über einen Sandhügel und um zwei große würfelförmige Steine herum.
Dann hörte er schlagartig auf
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