Ulysses
Krone- und Anker-Spielern, Gaunern, Kartenzinkern. Schwindler und Wettspione, heisere Buchmacher in hohen Hexenmeisterhüten verursachen einen ohrenbetäubenden Lärm.)
DIE MENGE Die Tabelle vom Rennen! Die Renntabelle!
Zehn zu eins das Feld!
Hier Tommy on the clay! Tommy on the clay!
Zehn zu eins Strich eins! Zehn zu eins Strich eins!
Versucht euer Glück mit der Wirbelnden Jenny!
Zehn zu eins Strich eins!
Die Spargroschen raus, Jungens! Jetzt gehts um die Wurst!
Ich setze zehn zu eins!
Zehn zu eins Strich eins!
(Ein Außenseiter-Roß, reiterlos, schießt wie ein Phantom am Zielpfosten vorüber, die Mähne mondschäumend, die Augäpfel Sterne. Das Feld folgt, ein Knäuel bockender Tiere. Skelettpferde: Szepter, Maximum II., Zinfandel, des Duke of Westminster Shotover, Repulse, des Duke of Beaufort Ceylon, prix de Paris. Zwerge reiten sie, rostig gerüstet, springend, springend in ihren Sätteln. Ah letzter bei Sprühregen, auf dampfendem isabellfarbenen Klepper, Cock of the North, dem Favoriten, in honiggelber Kappe, grüner Jacke, orangene Ärmel, Garrett Deasy hochauf, die Zügel gepackt, einen Hockeystock schlagbereit. Sein Klepper, weiße Gamaschen an den Füßen, zockelt stolpernd auf der steinigen Straße dahin.)
DIE ORANGE-LOGEN (höhnisch): Steig ab und hilf schieben, Mister! Letzte Runde! Wenn du dich beeilst, kommst du noch vor Dunkelheit nach Hause!
GARRETT DEASY (kühn aufrecht, das nagelzerkratzte Gesicht mit Briefmarken bepflastert, schwingt seinen Hockeystock, seine blauen Augen blitzen im Prisma des Kandelabers, als sein Reittier im Schulgalopp vorübertrottet): Per vias rectas!
(Eine Eimertrage fleckt ihn und seinen sich aufbäumenden Klepper über und über mit einem Strom von Hammelbrühe, in der Münzen aus Karotten, Graupen, Zwiebeln, Rüben und Kartoffeln tanzen)
DIE GRÜNEN LOGEN Schöner Tag heute, Sir John! Schöner Tag, Euer Gnaden!
(Gemeiner Carr, Gemeiner Compton und Cissy Caffrey gehen unter den Fenstern vorbei, mißtönig singend)
STEPHEN Horcht mal! Unser Freund, das Gebrüll auf den Gassen!
ZOE (hebt die Hand): Halt!
GEMEINER CARR, GEMEINER COMPTON UND CISSY CAFFREY
So ist sie doch ein feines
Mädel wie sonst keines…
ZOE Das bin ich. (Sie klatscht in die Hände) Tanzen! Tanzen! (Sie läuft zum Pianola) Hat einer Zwopence?
BLOOM Wer will…
LYNCH (reicht ihr Geldstücke): Hier.
STEPHEN (knackt ungeduldig mit den Fingern): Schnell! Schnell! Wo ist meine Augurenrute?
(Er läuft zum Klavier und ergreift seinen Eschenstock, mit dem Fuß im Tripudium stampfend)
ZOE (dreht den Trommelgriff): So.
(Sie steckt zwei Pennys in den Schlitz. Goldene, rosarote und violette Lichter leuchten auf. Die Trommel dreht sich schnurrend im Zaudertakt eines langsamen Walzers. Professor Goodwin, in schleifenverknoteter Perücke, in Hofkleidung, ein fleckiges Inverness-Cape um die Schultern, verkrümmt und zerbeult von unglaublichem Alter, zockelt durchs Zimmer, mit zitternden Händen.
Er sitzt winzig auf dem Klavierhocker und schlägt mit handlosen Armstöcken in die Tastatur, nickend dazu mit mädchenhafter Anmut, daß seine Haarschleife auf und nieder hüpft.)
ZOE (wirbelt mit klappernden Hacken um die eigene Achse): Tanzen! Hat keiner Lust? Wer will tanzen?
(Das Pianola spielt, mit wechselnden Lichtern, im Walzertakt das Vorspiel zu Mein Mädchen ist ein Yorkshire-Girl . Stephen wirft seinen Eschenstock auf den Tisch und faßt Zoe um die Taille.
Florry und Bella schieben den Tisch an den Kamin. Stephen, Zoe mit übertriebener Grazie im Arm, beginnt mit ihr im Raum herumzuwalzern. Ihr Ärmel, von einer anmutigen Schulter rutschend, enthüllt eine weiße Fleischblume, vom Impfen herrührend. Bloom steht abseits. Zwischen den Vorhängen streckt Professor Maginni ein Bein herein, auf dessen Zehenspitze sich ein Zylinder dreht. Mit einem geschickten Stoß läßt er ihn sich auf die Krone trudeln und kommt feschbehutet hereingeschlittert. Er trägt einen schiefergrauen Gehrock mit claretroten Seidenaufschlägen, ein Halstuch aus kremfarbenem Tüll, eine grüne tiefausgeschnittene Weste, Stehkragen mit weißem Binder, enge lavendellila Hosen, Lackpumps und kanariengelbe Handschuhe. Im Knopfloch hat er eine Dahlie. Er läßt nach verschiedenen Richtungen ein dabei kaum sichtbares Stöckchen wirbeln, keilt es dann fest unter die Achsel. Er legt sich lahm eine Hand auf das Brustbein und fährt streichelnd über seine Blume und Knöpfe.)
MAGINNI Die Poesie der Bewegung, Kunst
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