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Ulysses

Ulysses

Titel: Ulysses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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ohne die mindeste Ängstlichkeit. Obwohl im Weichbild von Dublin ungewöhnlich, wußte er doch, daß die Stadt nicht ganz unbekannt für Desperados war, die so gut wie nichts zum Leben hatten, sich auf die Wegelagerei verlegten und gewöhnlich friedliche Fußgänger terrorisierten, indem sie ihnen an irgendeinem abgelegenen Ort außerhalb der eigentlichen Stadt eine Pistole an den Kopf setzten, halbverhungerte Strolche von der Art, wie man sie am Thames Embankment findet und wie sie leicht auch hier herumlungern konnten, oder einfach auch Marodeure, die bereit waren, mit jeder noch so geringen Beute, die sich in einem blitzschnellen grausamen coup gewinnen ließ, das Weite zu suchen, Geld her oder das Leben, und die einen dann dort, ein Exempel zu statuieren, geknebelt und erwürgt zurückließen.
    Obwohl er selbst sich in einem alles andere als nüchternen Zustand befand, erkannte Stephen, das heißt, als die Gestalt, die ihn angesprochen, in größere Nähe kam, daß Corleys Atem stark nach saurem Fusel duftete. Lord John Corley nannten ihn manche, und mit seiner Genealogie hatte es die folgende Bewandtnis. Er war der älteste Sohn des jüngst verstorbenen Inspektor Corley von der Abteilung G, welcher eine gewisse Katherine Brophy geheiratet hatte, die Tochter eines Bauern aus Louth. Sein Großvater, Patrick Michael Corley aus New Ross, hatte die Witwe eines Kneipwirts alldort geehelicht, deren Mädchenname Katherine (ebenfalls) Talbot gewesen war. Ein, allerdings unbewiesenes, Gerücht nun wollte es, daß sie vom Hause der Lords Talbot de Malahide abstammte, auf deren Herrensitz, einem in seiner Art fraglos prächtigen und gar sehenswürdigen Bauwerk, seine Mutter oder Tante oder sonst eine Verwandte sich der Auszeichnung erfreut hatte, in der Waschküche bedienstet zu sein. Dies war mithin der Grund, weshalb der vergleichsweise immer noch junge, wenn schon einem wüsten Lebenswandel ergebene Mann, der Stephen jetzt ansprach, von einigen zur Spaßhaftigkeit neigenden Menschen gern als Lord John Corley bezeichnet wurde.
    Indem er Stephen an die Seite trat, begann er sogleich mit seinem gewohnten Klagelied. Keinen roten Heller mehr habe er, um sich ein Nachtlager zu leisten. All seine Freunde hätten ihn verlassen. Überdies sei er mit Lenehan im Unfrieden, und er nannte ihn Stephen gegenüber einen verdammt gemeinen Schuft, verbunden mit noch einigen anderen, nicht erbetenen Ausdrücken. Er wäre ohne Arbeit und flehe Stephen an, ihm doch zu sagen, wo auf Gottes Erde er denn nur etwas finden könne, ganz gleich was es sei. Nein, es war die Tochter der Mutter gewesen, die in der Waschküche, und sie war Milchschwester des herrschaftlichen Erben, oder jedenfalls waren sie sonst irgendwie durch die Mutter damit verbunden, da beide Ereignisse zur nämlichen Zeit stattgefunden hatten, falls nicht die ganze Geschichte überhaupt von Anfang bis Ende erstunken und erlogen war. Egal aber, jedenfalls saß er in der Patsche.
    - Ich würde Sie nicht bitten, setzte er fort, bloß, Gott weiß es, und meinen feierlichen Eid darauf, ich sitze auf dem trockenen.
    - Morgen oder übermorgen, teilte Stephen ihm mit, wird in einer Knabenschule in Dalkey die Stelle eines Hilfslehrers frei. Mr. Garret Deasy. Versuchen Sie es da doch einmal. Sie können meinen Namen erwähnen.
    - O Gott, erwiderte Corley, ich kann doch nicht in einer Schule unterrichten, Mann, bestimmt nicht!
    Ich bin nie einer von euch Klugscheißern gewesen, fügte er mit einem halben Lachen hinzu. Bin bei den Christian Brothers schon in der Unterstufe zweimal hängen geblieben.
    - Ich habe selber nichts, wo ich schlafen könnte, eröffnete ihm Stephen.
    Auf den ersten Anhieb war Corley geneigt, den Argwohn zu hegen, dies müsse damit zu tun haben, daß Stephen aus seiner Bude geflogen sei, da er eine dreckige Nutte von der Straße mit aufs Zimmer genommen. Nun gebe es in der Marlborough Street eine Herberge, bei Mrs. Maloney, doch sei das nur ein Sixpence-Puff und voll von unwünschenswerten Personen, aber M’Conachie habe ihm erzählt, wenn man was Anständiges suche, das sei im Brazen Head drüben in der Winetavern Street (welche Erwähnung den Angesprochenen entfernt an den Mönch Bacon erinnerte), für einen Schilling. Auch sei er fast verhungert, obwohl er darüber bisher kein Wort verloren habe.
    Obwohl sich derartiges Geschwätz jede zweite Nacht, oder doch fast jede, abspielte, gewann Stephens Gefühl in gewissem Sinne die Oberhand, wenn er auch wußte, daß

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