Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
Vom Netzwerk:
abgewartet, die Wurst fiel bereits in dünnen Scheiben am scharfen Rad der Maschine.
    *
    »Maximal eine Woche«, sagte Killian. »Wenn ich bis dahin nichts gefunden habe, ist die Sache für mich erledigt.«
    »Danke.« Bärbel machte sich auf, das Atelier zu verlassen. An der Tür drehte sie sich noch mal um. »Falls ich was von Swintha höre, lasse ich es dich wissen.«
    Killian nickte.
    »Oder hat sie sich etwa doch schon bei dir gemeldet?«
    Er verdrehte die Augen.
    »Entschuldige. Ich bin es eben noch nicht gewohnt, dass Swintha zwei Elternteile hat«, sagte sie leise.
    »Nach drei Jahren könntest du langsam mal damit anfangen.«
    »Zwanzig zu drei. Eine schlechte Quote für dich.«
    »Kommt darauf an, mit welchen Parametern man misst. Quantität oder Qualität.«
    Bärbel biss sich auf die Zunge. Sie wusste, dass sie sich ein Gefecht jetzt nicht leisten konnte. Und sie wusste, dass Killian es wusste. Sie brauchte ihn und musste ihm dankbar sein. Es würde der Moment kommen, da sie wieder bessere Karten hatte. Dann würde er eine Antwort erhalten, die sich gewaschen hatte.
    »Pass auf dich auf.« Sie konnte das eine vom anderen trennen. Manchmal.
    »Du auch.«
    Sie zog die Tür des Ateliers auf und ging hinaus.
    »Lass auf, ich brauch noch etwas Abendsonne«, rief Killian ihr hinterher. Bärbel gehorchte, stieg in ihren Beetle und fuhr davon.
    Killian ging zum Plattenspieler und legte Bob Dylan auf. Dann kramte er aus dem Küchenschrank Tabak und Blättchen hervor, nahm einen Stuhl und setzte sich damit auf die Rampe vor dem Atelier.
    Während er sich einen Satz Zigaretten drehte, genoss er die letzten Strahlen der Frühlingssonne und lauschte dem sozialkritischen Folk vergangener Tage. Er hatte Dylan nicht umsonst aufgelegt. Er erinnerte ihn an die Zeiten, da er selbst noch an politischen Widerstand geglaubt hatte. Das war lange her. Inzwischen wusste er an gar nichts mehr zu glauben. Die Welt war zynischer, als man es sich als unverbrauchter Kämpfer der gerechten Sache vorzustellen wagte. Viel zynischer. Und selbst steckte man mittendrin, war Werkzeug und Handlanger des dreckigen Spiels. Die Seele war längst ins dunkle Grau gefärbt. Da konnte ein Dienst für die gute Sache vielleicht wieder etwas reinwaschen. Aber man konnte schlechte Taten nicht mit guten aufwiegen. Es gab keine Wiedergutmachung für unterschlagene Fotos, keinen Rückwärtsgang für getötete Menschenleben.
    »Ins Reine kommen«, murmelte Killian und schob sich eine der gedrehten Stängel in den Mund.
    Ein Traktor stotterte durch die Bruckmühlenstraße. Er bremste vor der Rampe, der Fahrer winkte Killian.
    »Salli, Killian. Schaffsch nix?«, rief der Bauer vom Bock herüber. Es war Frank Erschig, den alle nur »Schigge« riefen. Er hatte einen Kopf so rund wie ein Ball, und jetzt glühte er auch noch rot wie der Vollmond im Oktober. Schigge war Steuerberater, hatte aber einige Hektar Reben geerbt, die er bewirtschaftete. Er kelterte sogar seinen eigenen Wein. Sein Müller-Thurgau war mehr als nur ein Tafelwein. Er war kein Gedicht, aber mindestens ein Protestsong von Dylan gegen die Schickeria der überzüchteten Weinszene.
    »Zigarette gege Müller?«, fragte Schigge.
    Killian nickte.
    Schigge parkte den Traktor mit einer Backe auf dem schmalen Parkplatz vor dem Atelier, mit der anderen stahl er der Bruckmühlenstraße Breite. Dann sprang er vom Bock, so geschmeidig es seine Fülle vermochte, und stieg die Stufen zur Rampe hoch, in der Hand eine Flasche Wein. Ein stummer Handschlag, und die Begrüßung war vollzogen. Killian erhob sich und holte aus dem Atelier einen weiteren Stuhl, zwei Gläser und einen Korkenzieher.
    Schigge entkorkte die Flasche, goss ein und setzte sich. Er reichte Killian ein Glas, sie blickten sich an, hoben die Brauen und prosteten im Chor. »Wohlsein.« Dann tranken sie und schürzten beide anerkennend die Lippen. Killian reichte Schigge eine der frisch gedrehten Kippen, zündete an und inhalierte.
    So saßen sie nebeneinander und lauschten Bob Dylan, Schigge wippte dabei mit dem rechten Fuß, an dem die Klumpen des Rebbergs im Profil klebten. Killian hielt die Augen geschlossen.
    Als der Saphir die Leerrille des letzten Songs kratzte, waren die halbe Flasche getrunken und vier Zigaretten geraucht.
    Schigge stand auf, stieg die Rampe hinab, kletterte auf den Bock des Traktors und startete den Motor. Er hob die Hand zum Gruß und fuhr davon.
    Killian goss sich nach. Er wollte jetzt nicht aufstehen, um die Platte

Weitere Kostenlose Bücher