Um die Wurst (German Edition)
Mann?«
Sie nickte.
»Warum sollte er der Nächste sein?«
»Weil er auch im Vorstand ist. Erst gestern hat er gesagt, ›Wenn man heute für Tiere kämpft, ist es, wie wenn man unter den Nazis einen Juden versteckte‹.«
»Etwas überzogen, finden Sie nicht?«
»Sie haben Erik umgebracht, finden Sie das nicht auch überzogen?«
»Wer hat ihn umgebracht?«
»Die Schweine-Mafia. Ginter und all die Lobbyisten, denen Erik auf der Spur war.«
»Was für eine Spur war das?«
»Weiß ich nicht. Holger hat gesagt, es wäre besser, ich wüsste nichts davon.«
»Wo ist Ihr Mann jetzt?«
»In der Schule.«
»Nachmittagsunterricht?«
»Tierschützer- AG . Er teilt sich die AG mit … hat sie sich mit Erik geteilt. Oh mein Gott, wenn ihm auch was passiert …« Sie begann wieder zu weinen.
»Haben Sie Ihren Ausweis dabei?«, fragte Belledin.
Sie zog ihn aus einem Portemonnaie, das in der Reißverschlusstasche ihrer Trainingsjacke steckte. Belledin notierte sich Name und Adresse.
»Heppenheim. Hessin. Aschebescher.«
Sie sah auf, verzog dabei keine Miene.
»Hört man gar nicht.« Er gab ihr den Ausweis zurück.
*
Stark hatte Marlena am Hauptbahnhof abgesetzt und war direkt aufs Revier gefahren. Jetzt parkte sie neben einem Streifenwagen und blieb im Auto sitzen. Sie dachte über das Mädchen nach. Ein williges Werkzeug in den Händen eines Fanatikers. Aber war sie selbst denn etwas anderes? Sie besah sich im Rückspiegel und gab sich zwei Ohrfeigen. Sie schmerzten, aber erinnerten sie daran, im Moment zu sein und nicht in ihre eigene Geschichte zu sinken.
Stark hätte den Stick gerne selbst gesichtet. Aber Belledin hatte es sich nicht nehmen lassen. Es sollte sein Erfolg sein, wenn dadurch Hinweise auf den Mörder zum Vorschein kamen. Noch hatte sie von Belledin nichts gehört. Entweder er hatte sich den USB -Stick noch nicht angesehen, oder die Dateien darauf waren für den Fall wertlos.
Sie fuhr auf den Parkplatz des Polizeireviers und stieg aus dem Wagen. Noch eine Zigarette an der frischen Luft, dann betrat sie das Gebäude und stieg die Stufen ins zweite Untergeschoss hinunter. Dort lag das Archiv. Vieles war mittlerweile digitalisiert, aber den Dschungel von Berichten und Akten, den man zur Sicherheit aufbewahrte und anreicherte, konnte man dadurch kaum lichten.
Es roch nach schwarz-grau gesprenkelten Ordnern. Ein Geruch, den sie noch nie gemocht hatte. Am liebsten hätte sie sich jetzt eine Zigarette angezündet, aber hier unten herrschte Rauchverbot.
Wagner kämpfte mit einem Stapel von Ordnern, den er so ungünstig geschichtet hatte, dass er rutschen musste. Da half es auch nichts, dass er mit aller Gewalt sein Kinn daraufpresste. Er erschrak, als er sie im Augenwinkel bemerkte, und die Ordner krachten zu Boden.
»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte sie und bückte sich, um ihm zu helfen, die Ordner aufzuheben.
»Schon gut. Ich war scho immer schreckhaft. Deswege bin ich auch nimmer im Außendienst.«
»Wo kommen die Ordner hin?«
»Dort hinte, zweite Reihe. Und? Wie läuft’s?«
Sie antwortete nicht und verstaute einen Teil der Ordner dort, wo Wagner angewiesen hatte.
»Tief unter der harte Schale isch er ein guter Kerl. Aber ganz tief, verstehe Sie? Man muss lang bohre, dann findet man ihn. Und wenn man es bis dorthin gschafft hat, dann hat man ä Freund, den man nie mehr misse möcht.«
»Sind Sie bis dorthin gedrungen?«
»Nein. Ich hab nicht die Ausdauer ghabt. Aber es soll Menschen gebe, die es geschafft habe. Ihnen trau ich die Zähigkeit zu.«
»So?«
»Na ja, immerhin habe Sie es bis ins nordrhein-westfälische LKA geschafft.«
»Aber jetzt bin ich hier. So zäh kann ich dann wohl nicht sein, sonst hätte ich dort weiter Karriere gemacht.«
»Wieso lässt man so einen Karriereposten sause und kommt hierher?«
»Haben Sie in Ihren Akten nichts darüber gefunden?«
»Nit viel. Auch im Computer Fehlanzeige. Seltsam. Wo doch sonscht alles vermerkt wird. Auf eigenen Antrag. Das isch alles, was ich gfunden hab. Noch nicht einmal strafversetzt. Was isch da vorgfalle?«
»Warum interessiert Sie das?«
»Weil ich wisse will, mit wem ich es zu tun hab. Vielleicht schickt man Sie, um bei uns zu gucke, ob alles ordnungsgemäß abläuft? Innere Aufsicht?«
»Sie sehen Gespenster.«
»Weiße Mäus? Meine Sie das vielleicht? Die hab ich gsehe, da haben Sie recht. Zweimal Entzug, da sieht man einiges. Aber ich mach hier meinen Job. Und ich mach ihn gut. So gut
Weitere Kostenlose Bücher