Um die Wurst (German Edition)
ich kann. Wie wir alle hier.«
»Ich wollte mal was anderes von der weiten Welt sehen. Und da dachte ich mir, der Breisgau wäre doch eine hübsche Abwechslung.«
»Sie sehe mir nit so aus, als würde Sie auf Karriere verzichte, nur weil Sie vom Schwarzwald aus den Sonnenuntergang in der Rheinebene genießen wolle.«
»Wirklich nicht?«
»Nein.«
»Und wie sehe ich aus?«
»Wie jemand, der entweder hier schnüffelt oder der Dreck am Stecke hat.«
»Und auf was tippen Sie?«
Wagner biss sich auf die Unterlippe. »Ich bin mir noch nicht sicher. Aber ich krieg’s raus.«
»Und was haben Sie über Saier herausgekriegt? Oder bin ich jetzt Ihr Fall?«
Wagner ging zu seinem Schreibtisch und öffnete eine Kladde. Er nahm ein Papier heraus und reichte es ihr. »Hat einmal gesesse. Aber nicht im Knascht. In der Geschlossenen.«
»Was genau hat er getan?«
»Es ging über das übliche Halloween hinaus. Er hat bei einem Kindergartenfescht den Zauberer gspielt. Dabei hat er aber keine weißen Hasen aus dem Hut gezaubert, sondern einen abgehackten Schweinskopf. Als ihn einer der Erzieher an dem Spiel hindern wollte, hat er ihn mit Blut beschmiert. Ein Familienvater, der seine Tochter früher vom Kindergarten abholen wollte, ging schließlich dazwische und hat ihn überwältigt.«
»Seit wann ist er wieder draußen?«
»Drei Jahre.«
»Auffälligkeiten?«
»Zweimal nackt und mit Blut besudelt an Fastnacht. Er hat den Marquis de Sade gspielt und es als Performance deklariert. Sonscht nichts.«
Stark hatte sich während des Gesprächs selbstvergessen eine Zigarette in den Mund gesteckt und suchte in ihren Taschen nach Feuer.
»Würd ich nicht tun. Dann stehe mir hier im Rege.« Wagner zeigte an die Decke zu den Rauchmeldern.
Stark ließ das Feuerzeug in der Jacke, behielt die Zigarette aber im Mundwinkel. »Wie heißt der Held, der Saier überwältigt hat?«
»Leider nicht Erik Schwarz.«
»Sondern?«
»Klaus Baier, Schwarzwaldstraße 125. Steht auf dem gelben Post-it. Die aktuelle Telefonnummer auch. Aber ich glaub nicht, dass uns das weiterbringt. Er hat damals schon alles gesagt, Sie könne es ja nachlese. Hinfahren lohnt nicht. Würd ich nicht tun.«
»Was würden Sie tun?«
»Am liebsten? Mich in die Reben zu meinem Silvaner setze und ä gute Mirabell trinken. Und dann darauf wette, dass es dieses Jahr ein Jahrhundertwein gebe wird.«
VIER
Belledin gondelte über die kurvenreiche Landstraße zwischen Ihringen und Wasenweiler. Ausnahmsweise fuhr er nicht schneller als erlaubt.
Er ließ das Fenster herunter und inhalierte den Frühlingsduft. Bis tief in die Lungenbläschen sog er das Parfüm der Apfelblüte. Der Kaiserstühler Frühling erweckte in ihm ungeahnte Kräfte. Was für Popeye der Spinat, war für Belledin die Blütenexplosion und das junge Grün im Mai. Es war noch immer Mittwoch, und einmal war keinmal.
Seine gute Laune rührte aber nicht nur von Frühling und Mittwochsgelüsten; auch die Gewissheit, dass er mit dem USB -Stick aus Schwarz’ Tresor bald mehr über dessen Mörder wissen würde, beflügelte sein Gemüt. Er tappte nicht gern im Dunkeln. Das machte ihn nervös und verführte ihn, sich in wilden Vermutungen zu verstricken. Er brauchte einen Zipfel, in den er sich beißen konnte, war er auch noch so klein. Der USB -Stick versprach mehr als einen Zipfel Wurst – der roch nach einem saftigen Steak.
Belledin lief bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammen. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, bis auf das Brot mit Bierschinken, das ihm Biggi nach dem Quickie mit auf den Weg gegeben hatte. Und schon wieder war er beim Sex. Gegen den Frühling hatte er einfach keine Chance.
Nur das Knurren im Magen war stärker als der Frühlingstrieb. Er konnte es kaum erwarten, bei Metzger Zimmermann einzukehren und eine ordentliche Wurst-und Fleischration einzukaufen.
Ungeduldig wartete er an der Ampel der Bötzinger Kreuzung. Heute schien sie ewig auf Rot zu stehen. Er blickte nach rechts, auf den kleinen Vorplatz des Bistros »Mirage«. Dort saß man bereits draußen. Sollte er kurz ranfahren und einen Happen zu sich nehmen? Er sah, wie sich zwei Männer gegenseitig an den Kragen gingen und nur mit Mühe von anderen Gästen getrennt werden konnten. Darauf hatte er keine Lust. Er war Polizist. Die Leute würden erwarten, dass er für Ruhe und Ordnung sorgte. Aber er war nicht für jeden Streithahn am Kaiserstuhl zuständig. Sollten sie sich doch raufen; solange sie sich dabei nicht
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