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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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miteinander ins Bett stiegen. War schließlich nicht das erste Mal, dass ein Chef etwas mit seiner jungen Sekretärin anfing. Und wo lag die Fleischeslust näher beieinander als im Schlachthaus.
    Belledin konnte Ginter verstehen. Britta Vogt sah so aus, wie man sich eine Sekretärin wünschte. Ihr Fleisch lebte in allen Formen und drängte sich in den Blick. Ein Wegschauen war unmöglich, da konnte man noch so gut erzogen sein.
    Jetzt war ihr Gesicht aufgequollen, der knallige Lippenstift verschmiert, und die tränennasse Wimperntusche hatte ihre Augen zu Eulenhöhlen geschwärzt. Sie hielt sich an einem Ordner fest, den sie krampfhaft gegen ihren Bauch drückte.
    Belledin sah sich nach Stark um. Sie war vor ihm am Tatort gewesen. Er selbst hatte gerade den Vorstand der Tierschützer unter die Lupe nehmen wollen, als ihn Starks Anruf erreichte.
    Da er sie nirgendwo sah, wandte er sich Dr. Selinger zu, der noch immer die eingedrückte Stirn des toten Ginter untersuchte.
    »Und?«
    »Scheint mir dasselbe Modell zu sein. Genauer kann ich das aber erst sagen, wenn ich ihn gewaschen habe. Der Bolzen, der Schwarz den Schädel eingedrückt hatte, muss rechts eine Delle haben. Jedenfalls hat er nicht einwandfrei rund gestanzt. Der hier scheint mir ebenfalls unrund.«
    »Also dieselbe Tatwaffe?«
    »Gut möglich.«
    Belledin wandte sich Britta Vogt zu. »Wo werden die Bolzenschussgeräte gelagert?«
    »Dafür ist jeder selbst verantwortlich«, antwortete sie, und ihre Stimme brach nach jeder zweiten Silbe ein. »Manche lassen sie nach der Reinigung im Spind, andere nehmen sie mit nach Hause.«
    »Wie viele Schützen habe Sie?«
    »Derzeit nur einen. Erdogan.«
    »Nur einen? Wollen Sie etwa behaupten, dass ein einzelner Mann täglich vierhundert Rindern ins Hirn schießt?«
    »Bei Daimler dreht ein Einzelner auch vierhundert Schrauben am Tag«, antwortete Vogt.
    Belledin merkte, dass sie eine eingefleischte Angestellte war. Der Spruch schien aber nicht ihrer Kreativität entsprungen. Sie musste ihn von Ginter gehört haben. Er fragte sich, was der ihr noch alles geflüstert hatte. Im Bett wurden Männer gern geschwätzig. Belledin selbst nicht. Er schlief nach dem Sex regelmäßig ein, wenn auch nur für ein paar Minuten. Vielleicht redete er dann im Schlaf, er wusste es nicht; Biggi hatte nie dergleichen erwähnt. Aber vielleicht schlief sie dann ebenfalls? Jedenfalls redeten sie danach nicht. Aber sie waren in diesem Jahr auch schon sechsundzwanzig Jahre verheiratet. Was sollte man da erzählen? Bei einer jungen Geliebten war das etwas anderes. Da würde wohl auch er sein Herz öffnen. Er überlegte kurz, ob er Britta Vogt seine Geheimnisse und Ängste anvertrauen würde.
    »Kann ich Erdogan sprechen?«, fragte er und musterte Britta Vogt, die sich das Gesicht mit Hilfe eines Taschenspiegels und eines Abschminktuchs säuberte.
    Sie klappte den Spiegel zusammen, zog die Nase hoch und nickte. »Es ist Mittag. Die Arbeiter sind alle in der Kantine. Ich gehe immer schon ein paar Minuten früher, um für Gerhard das Essen zu holen. Er isst – aß – lieber im Büro.« Ein Schluchzen brach aus ihr heraus und ergoss sich in einem lauten Schrei.
    Diese Frau hatte Temperament. Wenn Belledin emotionalen Ausbrüchen gewachsen gewesen wäre, hätte er sie nun wohl in den Arm genommen. Aber er stand Biggis Hitzewallungen schon hilflos gegenüber, wie sollte er dann in der Lage sein, einer fremden Frau Trost zu spenden? Vor allem, wenn er trotz ihrer Tränen nur ihre Kurven sah?
    Er atmete tief durch und drehte sich zum Ausgang des Büros. Dankbar sah er, dass Stark hereinkam.
    »Kümmern Sie sich bitte um Frau Vogt«, sagte er und verließ den Tatort. Kaum war er draußen, kehrte er wieder um und fragte: »Wo geht es zur Kantine?«
    »Ich komme gerade von dort«, antwortete Stark. »Wenn Sie wollen, erzähle ich Ihnen, was ich weiß.«
    »Später. Jetzt muss ich mir erst einmal selbst ein Bild davon machen.«
    »Über den Hof, dann rechts halten.«
    »Was gibt’s denn heute zu essen?«, fragte Belledin. Stark gab keine Antwort.
    Er ging über den Hof und überlegte, ob er mittlerweile ebenso abgebrüht als Polizist arbeitete, wie ein Schlachter sein Vieh schoss. Aber war es verwerflich, dass man zur Mittagszeit etwas aß?
    Wenn er gedacht hatte, in der Kantine wäre es still wie in einer Leichenhalle, hatte er sich getäuscht. Es ging hoch her. Man scherzte, brüllte über die Tische hinweg und schlug die Zähne in die frischen Haxen,

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