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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Teller von sich und erhob sich vom Stuhl. Dann wischte er sich im Stehen den fettigen Mund mit einer Serviette ab, warf sie zerknüllt auf den Teller und nickte Erdogan aufmunternd zu. »Gehen wir.« Er drehte sich noch einmal zu den anderen am Tisch um. »Und Sie warten hier bitte, bis ich wiederkomme.«
    »Aber ’s geht glei weiter«, maulte einer mit mächtigen Pratzen und einem Kreuz, auf dem zwei Weltkugeln ausreichend Platz finden würden.
    »Wer sind Sie?«, fragte Belledin.
    »Spiegelhalter. Stecher«, antwortete der Hüne.
    »Wer will sich beschweren, wenn Sie heute eine etwas längere Pause machen? Ihr Chef ist tot. Aber vielleicht wissen Sie gar nicht mehr, was tot ist? Ich schon. Und es handelt sich hier um kein Schwein, sondern um einen Menschen. Und für Menschen nehme ich mir noch immer Zeit.«
    Belledin folgte Erdogan nach draußen, ohne Killian dabei anzusehen.
    *
    Stark und Vogt sahen dem Abtransport der Leiche hinterher. Es war nicht Taktgefühl, das Stark schweigen ließ. Sie wusste, dass es die stillen Momente waren, in denen Menschen in ihre eigenen Bahnen drifteten. Wenn sie im richtigen Augenblick jemand aus seinen Gedanken riss, bekam sie oft Antworten, die ein pausenloses Drängen nie erzwingen konnte.
    »Weiß seine Frau von Ihrer Beziehung?«, fragte sie endlich.
    Vogt schwieg weiter, dafür senkte sie den Blick zu Boden und nagte mit den unteren Schneidezähnen den Lippenstift von ihrer Oberlippe.
    »Wer übernimmt jetzt den Laden?«
    »Benedikt«, sagte Vogt leise.
    »Benedikt? Wer ist das? Arbeitet er hier?«
    »Ja.«
    »Ginters Sohn?«
    Sie nickte.
    »Wo ist er? Ich möchte gerne mit ihm sprechen.«
    »Er ist nicht hier. Er ist auf Einkauf. In Polen. Und kommt erst morgen zurück.«
    »Was ist mit seiner Frau?«
    »Sie wusste es, aber es war ihr egal. Hauptsache, das Geld stimmte. Ihr wäre sogar eine Scheidung recht gewesen. Sie hätte ihn bluten lassen.«
    »Und Sie? Wollten Sie eine Scheidung?«
    Vogt sah auf und starrte durchs Fenster auf den grünen Grasstreifen mit Löwenzahn, der eben von einem Zweitakt-Rasenmäher gefressen wurde.
    »Wir wollten sogar Kinder. Das ganze Programm, noch mal von vorn, aber anders. Das hatte er gesagt. Ich habe ihn nicht gedrängt. Er war es, der es unbedingt wollte.«
    »Und? Wie weit ist der Kinderwunsch schon fortgeschritten?«
    Vogt öffnete in Zeitlupe den Mund, wollte etwas sagen. Aber es kam nichts raus. Ihr Mund öffnete sich, Stark wartete auf den Schrei, der sich gleich lösen würde. Er wurde geschluckt.
    »Vierter Monat.«
    Stark musste es mehr von den Lippen lesen, als dass sie es hörte.
    *
    Belledin fröstelte in der Umkleide. Sonst war er ein Fan von verzinktem Stahl, aber hier kam er sich vor wie bei Dr. Selinger in der Leichenhalle. Sie mussten das gleiche Putzmittel verwenden.
    »Des gibt’s doch nit. Er isch nit do. Jemand muss ihn sich ausgliehe habe«, sagte Erdogan verblüfft.
    Belledin hob die Brauen. »Wer außer Ihnen hat einen Schlüssel zum Spind?«
    »Keiner.«
    »Das Schloss ist aber nicht aufgebrochen.«
    »Des sieh ich au. Aber der Apparat isch trotzdem weg.«
    »Das spricht nicht für Sie. Ich muss Sie leider bitten, mit aufs Revier zu kommen.«
    Erdogan fiel die Kinnlade herunter. »Des geht nit. Ich muss glei weiterschaffe. Mir habe noch hundertfünfzig Rinder in der Warteschleife.«
    »Einer wartet immer.«
    Er hatte Erdogan in die Enge getrieben. So mussten sich die Rinder fühlen, wenn sie rochen, dass es in die Schießbox ging.
    Erdogan drehte sich zum Spind und fasste das faustgroße Vorhängeschloss. Es ging blitzschnell. Er fuhr herum und schlug Belledin das Schloss gegen die Stirn. Haut platzte, Belledin taumelte zurück und krachte gegen die anderen Spinde. Jetzt war Platz. Erdogan rannte davon.
    Belledin tastete benommen über seine Stirn. Sie blutete. Er schloss die Lider und schüttelte den Kopf wie ein Hund, der gerade aus dem Wasser kommt. Sein Schädel brummte. Mühsam rappelte er sich auf und schwankte aus der Umkleide. Er spürte, dass er nicht mehr lange würde gehen können, und fasste nach seinem Handy in der Jacke. Es gelang ihm, es zu greifen, aber er konnte nicht mehr wählen. Wieder wurde ihm schwarz vor Augen, das verzinkte Blech begann sich zu drehen. Er sackte zu Boden, schloss die Augen und atmete schwer. Es war der Kreislauf, da war er sich sicher. Er hätte längst zum Kardiologen müssen. Er war zu schwer, zu fett, der Stress – da war es nur eine Frage der Zeit, bis ihm das Herz

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